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zum
bis
18. Jahrh.
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Stellungen wurden nicht mehr mit der Achtung aufgenommen, die
ihnen früher zu Theil geworden wäre, und die Angelegenheiten
des Landes nach wie Vor unter dem rein weltlichen Gesichtspunct
verwaltet, welcher eingestandener Maassen allen Regierungshand-
lungen Heinrichs IV. zu Grunde gelegen")
Dies war die neue Politik der Französischen Regierung, einer
Regierung, die es noch vor wenig Jahren für die Haupt-Pflicht
eines Souveräns gehalten, Ketzer zu bestrafen und Ketzerei aus-
zurotten. Dass diese fortdauernde Verbesserung lediglich das Re-
sultat allgemeiner intellectueller Entwickelung war, ist einleuchtend,
nicht bloss durch ihren Erfolg, sondern auch aus dem Charakter
der Königin-Regentin und des Königs. Wer die Memoiren jener
Zeit gelesen hat, kann nicht in Abrede stellen, dass Maria von
Medicis und Ludwig XIII. ebenso abergläubig als irgend einer
ihrer Vorfahren gewesen, und so Leuchtet es ein, dass diese Be-
seitigung theologischer Vorurtheile nicht ihren persönlichen Ver-
diensten, sondern der vorrückenden Einsicht des Volks zu danken
war, dem Druck des Zeitalters, das in seiner reissenden Ent-
wicklung Diejenigen mit sich foitriss, Welche glaubten, dass sie
es regierten.
Aber diese Betrachtungen, so gewiehtig sie sind, werden dem
Verdienst jenes merkwürdigen Mannes, der jetzt auf der Bühne
der öffentlichen Angelegenheiten erscheint, nur wenig Abbruch
thun. Während der letzten 18 Jahre der Regierung Ludwigs XIII.
wurde Frankreich gänzlich von Richelieutlz) einem der sehr weni-
gen Staatsmänner, denen es gegeben ist, dem Schicksale ihres
Vaterlandes ihren Charakter aufzudrücken, regiert. Dieser grosse
Staatsmann ist in der Kenntniss der Kunst der Politik wahrschein-
lich niemals übertroffen worden, ausgenommen von dem wunder-
baren Genie, welches zu unsrer Zeit das Schicksal Europafs beun-
Kg
möglich." Ranke, Die Päpste III, 181, Anhang. Vergl. Meän. de Richelieu II, 68;
Mäm. de Pontchartrain I, 428.
7') Dieser Verfall der geistlichen Macht wird von mehreren gleichzeitigen Schrift-
stellern besprochen; aber es genügt, auf die höchst merkwürdige Vßrßtellullg deS
Französischen Clerus vom Jahre 1605 in De Tlmu, Hist. zmiv. XIV, 446, 447 zu
verweisen.
72) Montcil sagt, Hist. des Fraugais des divers ätats VII, 114: "Richelieu tint le
SMIWC; Louis XII1 porm la courwmc." Und Üßmßiß": JIM" 37 nennt ihn? ußmtöt
le maitrß, qm, le ministreff und fügt hin-zu S. 218 und 219, er habe "youvernä dix-
huit am la Fromoe amen im pauvoir dbsolu, et um gloire suns pareille." Vergl. Mäm.
du Cßrdinal de Reiz I, 63.