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Unmittelbare Ursachen
der Franz.
Revolution.
Wahrheiten verderbt werden. Männer, die das Dasein der Gottheit
und die Unsterblichkeit der Seele leugnen, werden sich nicht viel
darum kümmern, auf welche Weise ein roher und ausserlicher
Gottesdienst diese erhabenen Lehren verdunkelt. Aller Götzendienst,
alle äusseren Gebrauche, aller Pomp, alle Dogmen, alle Ueberliefe-
rungen, welche die Religion zurückhalten, werden sie nicht beun-
ruhigen, weil sie die Ansichten, die zurückgehalten werden, für
eben so falsch halten, als die, denen Vorschub geleistet wird.
Warum sollten sie, denen transcendentale Wahrheiten unbekannt
sind, sich die Mühe geben, den Aberglauben aus dem Wege zu
räumen, der diese Wahrheiten verdunkelt? Eine solche Generation,
weit entfernt davon, kirchliche Uebergriife anzufeinden, wird die
Geistlichkeit eher als ein bequemes Werkzeug ansehen, die Unwis-
senden zu fangen, und den Pöbel-zu beherrschen. Deswegen hören
wir selten, dass ein aufrichtiger Atheist ein eifriger Polemiker ist.
Wenn es sich aber ereignen sollte, was sich vor einem Jahrhundert
in Frankreich ereignete, wenn Männer von grosser Energie und
geleitet von den Gefühlen, die ich beschrieben habe, sich einem
politischen Despotismus gegenüber finden, so würden sie gegen diesen
alle ihre Kraft aufbieten, und mit desto grösserer Entschlossenheit
handeln, weil sie glauben müssen, ihr Alles stehe auf dem Spiele;
das irdische Glück wird nicht nur ihr erster, sondern ihr einziger
Zweck sein.
Unter diesem Gesichtspunkt wird der Fortschritt der atheisti-
sehen Ansichten, die jetzt in Frankreich auftraten, ein Gegenstand
von grossem, wenn auch peinlichem Interesse. Und der Zeitpunkt,
wo sie erschienen, bekräftigt vollkommen, was ich eben über die
Veränderung gesagt habe, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts
stattfand. Das erste grosse Werk, in welchem sie öffentlich ver-
breitet wurden, war die berühmte Encyclopädie, die 1751 erschienßil)
Vor jener Zeit waren so erniedrigende Ansichten, wenn auch ge-
legentlich vorgebracht, doch niemals von talentvollen Männern ge-
69) Burante, IIit. Frzmg. au 18a sieole, 94, sagt: „0u urrivu bientöt ä ioui
nier; defjä Piucredulite avuit rejetä Zes preuves nliviues de la räuälation, xet (zum? ubjurä
les devoirs et Zes souvenirs olmftvlens; an vit alors Fatkeisme lever am freut plus hardz",
et proclumer que tout seutimeut religieux ätuit une rölverie et am däsordre de Pesprit
kumaiu. C'est de Peßoque de Vencyclopädie que duteut Zus äorits au cette opiuiou es?
le plus expressäment prqfessäe. Ils fureut peu imitäs." Der letzte Satz ist ein Irr-
thum; so leid es mir thut, dass es der Fall ist, muss ich es bemerken.