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Ursachen der Franz.
Unmittelbare
Revolution.
Geistes. Ehe beide, Staat und Kirche fallen konnten, war es nöthig,
dass die Menschen ihre Feindseligkeit auf ein anderes Feld führten,
und die politischen Missbräuche mit dem Eifer angriffen, den sie
sich bisher für die religiösen gespart hatten. Es entsteht also jetzt
die Frage nach den Verhältnissen, unter welchen diese Verände-
rung stattfand, und nach dem Zeitpunkt, wo sie wirklich eintrat.
Die Verhältnisse, welche diese grosse Aenderung begleiteten,
sind, wie wir gleich sehen werden , sehr verwickelt; und da sie
bisher noch nie im Zusammenhange mit einander studirt werden
sind, werde ich sie hier ziemlich ausführlich untersuchen. Ueber
diesen Punkt, denke ich, wird es möglich sein, zu genauen und
bestimmten Resultaten über die Geschichte der Französischen Re-
volution zu gelangen. Der andere Punkt jedoch, die Zeit nämlich,
wo diese Aenderung eintrat, liegt nicht nur viel mehr im Dunkeln,
sondern wird auch, seiner Natur nach, keine vollkommene Be-
stimmtheit zulassen. Dies ist jedoch ein Mangel, der ihm mit jeder
andern Aenderung in der Geschichte des Menschen gemein ist.
Die Umstände bei einer Veränderung wird man immer erkennen
können, wenn die Nachrichten nur reichlich und authentisch genug
sind. Aber kein Reichthum von Nachrichten wird. uns in den
Stand setzen, den Zeitpunkt der Aenderung selbst festzustellen.
Worauf sich die Aufmerksamkeit der historischen Sammler gewöhn-
lich richtet, ist nicht die Aenderung, sondern bloss das ausserliche
Ergebniss, welches der Aenderung folgt. Die wirkliche Geschichte
des Menschengeschlechts ist die Geschichte von Richtungen, die
mit dem Geiste aufgefasst werden, und nicht von Vorfällen, die
man sinnlich wahrnimmt. Deshalb wird keine historische Epoche
jemals die chronologische Bestimmtheit zulassen, die den Alterthums-
forscher-n und Genealogen so geläufig ist. Der Tod eines Fürsten,
der Verlust einer Schlacht und der Wechsel einer Dynastie sind
Sachen, die vollständig in die Sinne fallen; und der Augenblick,
wo sie eintreten, kann von den gewöhnlichsten Beobachtern auf-
gezeichnet werden. Aber die grossen intellectuellen Revolutionen,
die allen andern Revolutionen zum Grunde liegen, lassen sich nicht
mit einem so einfachen Maassstabe messen. Um den Bewegungen
des menschlichen Geistes nachzugehen, muss man ihn aus ver-
schiedenen Gesichtspunkten betrachten, und dann zusammenbringen,
was man aus verschiedenen Studien entnommen. So gelangen
wir zu gewissen allgemeinen Schlüssen, welche. gleich den DurC-hf
schnittsschätzungen an Werth gewinnen in demselben Verhältnisse,