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Geschichte
Franz.
des
Geistes
werden sie die Sklaven jener Zuversicht, die allem Wahren Wissen
im Wege steht, und die nur aus dem Wege geräumt werden kann,
wenn man sich auf einen so hohen und umfassenden Standpunct
stellt, dass man gewahr wird, wie alle Völker mit gleichem Eifer
an den Lehren festhalten, in denen sie erzogen worden sind. 4")
Und wenn Wir etwas genauer zusehn, sagt Charron, so werden wir
bemerken, dass jede dieser grossen Religionen auf ihrer Vorgän-
gerin aufgebaut worden ist. So gründet sich das Judenthum auf
das Aegypterthum, das Christenthum auf das Judenthum, und aus
diesen beiden letztern entsprang ganz natürlich der Mohamedanis-
musßo) Wir sollten uns daher, fügt dieser grosse Autor hinzu,
über die Ansprüche feindlicher Secten erheben und ohne uns vor
künftiger Strafe zu fürchten, oder durch die Hoffnung auf die ewige
Seligkeit verlocken zu lassen, mit der praktischen Religion, welche
in der Erfüllung unsrer Pflichten besteht, uns genügen lassen; un-
beirrt durch die Dogmen irgend eines Glaubens sollten Wir darnach
trachten," dass unsre Seele sich in sich selbst zurückziehe, und durch
die Kraft ihrer eigenen Anschauung,die unaussprechliche Grösse
49) Darum ist er gegen Polytheismus und stellt sich auf den philosophischen
Boden, dass Religionsmeinungen durch unabänderliche Gesetze bestimmt Werden, ihre
Veränderungen den Aendenmgen ihrer Voraussetzungen verdanken und immer, wenn sich
selbst überlassen, dem Bestehenden entsprechen: ,A,Et de ces oonclusions nons appren-
dfons ä nüzjoouser n'en, ne jnrer ä n'en, nüednzirer n'en, ne se lrozobler de wen, nmis
quoi qu'il ndviennß, que l'on crie, ienzpöle, se resoudre ä ce point, que c'est le caurs
du mangle, c'est natura quifait des siennes." De la Sagesse I, 311.
50) "Mais comme elles naisscnt Pune nprizs l'autre, la plus Jeune bälit toujours
sm" son ainäe et prochainc pwfcädente, luquelle elle Wimprozwe, m" condaonnc de
fonds en comble, antrement alle ne seroit pas ouäe et ne pourroitpas prendre pied; mais
senlenwnt Paccuse ou afinzpcrfcction, ou de son lcrme jini, et gzüä cette occasion alle
vient pour lui sucaäder et lrz pavjfaire, et ainsi la meine peu-ä-peu, et Nenrichit de .993
dejaauilles, comme la Judaäqne a fait ä la Gentille et Egypiienne, la Uhrätienne ä Za
Judaäque, Za Mahoonetune ü la Jzwlaique et Ohrätienne enseonble; onais les Ivieilles um,
dumnent [n'en tout-ä-fait et entürement les Jeunes, et les tienneozt pour ennemies cupables."
De Zu Sagcsse I, 349.
Dies, glaube ich, ist das erste Beispiel in irgend einer neuern Sprache von der
Lehre der religiösen Entwicklung, eine Ansicht, die sich seit Chnrron stetig fortge-
bildet hat, vorzüglich unter denen, deren Kenntnisse umfassend genug sind, um ver-
schiedene Religionen, die zu verschiedenen Zeiten gegolten, zu vergleichen. In dieser,
wie in jeder andern Hinsicht glauben die, welche nicht vergleichen können, dass
Alles vereinzelt sei, bloss Weil ihnen der Zusammenhang nicht sichtbar ist. Ueber
die Alexandrinische Lehre von einer Entwicklung, die sieh zum Theil in Clemens und
Origenes findet, siehe Neand. Hist. of tlw churck II, 234-257 und vornehmlich
241, 246.