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Frankreich
Historische Literatur in
Montesquielfschen Methode sind, so wird es nöthig sein, einige
Rechenschaft von ihnen zu geben, bevor wir im Stande sind, den
Platz, den er Wirklich als einer de1' Gründer der Philosophie der
Geschichte einnimmt, zu verstehen.
Wir haben schon gesehen, dass Voltaire stark auf die Noth-
Wendigkeit gedrungen hatte, die Geschichte zu reformiren durch
grössere Aufmerksamkeit auf die Schicksale des Volks und durch
geringere auf die seiner politischen und militärischen Herrscher.
Wir haben auch gesehen, dass diese Verbesserung dem Geiste der
Zeit entsprach, und daher allgemein und schnell angenommen wurde,
und so ein Anzeichen der demokratischen Tendenzen wurde, aus
denen es in Wahrheit entsprang. Es ist daher nicht zu verwun-
dern, dass Montesquieu dieselbe Richtung einschlug, selbst bevor
die Bewegung sich deutlich erklärt hatte; denn er, wie die meisten
grossen Denker war ein Repräsentant des intellectuellen Zustandes
und hatte die intellectuellen Bedürfnisse der Zeit, in Welcher er
lebte, mit zu befriedigen.
Aber was eine Eigenthümlichkeit Montesquieus in dieser Hin-
sicht ausmacht, ist, dass bei ihm eine Verachtung gegen die Details
über Höfe, Minister und Prinzen, woran gewöhnliche Oompilatoren
so viel Vergnügen finden, von einer ähnlichen Verachtung für
andere Details begleitet war, die wirklich interessant sind, weil sie
die geistigen Gewohnheiten weniger wahrhaft ausgezeichneter Män-
ner betreffen, die von Zeit zu Zeit auf der Bühne des öffentlichen
Lebens erschienen sind. Montesquieu sah, dass diese Dinge wohl
sehr interessant, aber doch immer sehr unbedeutend sind. Er wusste,
was kein Historiker vor ihm auch nur geahnet hatte, dass in dem
grossen Gange menschlicher Angelegenheiten. persönliche Eigen-
schaften nichts gelten, und dass daher der Historiker mit ihnen
nichts zu schaffen hat, sondern sie dem Biographen, in dessen
Sphäre sie eigentlich gehören, überlassen sollte. Darum behandelt
er nicht nur die mächtigsten Fürsten mit solcher Verachtung, dass
er die Regierung von sechs Imperatoren in zwei Zeilen er-
m) Dies zieht Guizot, Civil. en Fwmce IV, 36, in seinen Bemerkungen über
Desprit des lois nicht genug in Betracht. Cousin, Hist. de la phil. p. II, vol. I, 182
beurtheilt das Werk gerechter; ebenso Comte, Phil. pos. IV, 243-252, 261, VergL
Traitä de lägislation I, 125 mit Meyer, Esprit des insiigution; Jßßulgciuiyes I, LXI über
die grossartigen Neuerungen, die er einfiihrte.