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Frankreich
Historische Literatur in
Ansichten aufgestellt hat, mit denen spätere Kritiker sich nicht ein-
verstanden erklärt haben, aber dass in seiner Geschichte drei und
nur drei Fundamentalprinzipien sind, die man nicht widerlegen
kann. Erstens, dass wegen der unvermeidlichen Einmischung von
Fabeln, die einem rohen Volke so natürlich ist, keine Nation zu-
verlässige Details über ihren eignen Ursprung besitzen kann.
Zweitens, dass selbst die alten Documente, welche die Römer be-
sessen haben mögen, untergegangen waren, ehe man sie einer
ordentlichen Geschichte eingefügt hatte. Drittens, dass religiöse
Oeremonieen, die man zu Ehren gewisser Ereignisse, wie sie in
früheren Zeiten vorgekommen sein sollen, eingerichtet, ein Beweis
sind, nicht dass diese Ereignisse stattgefunden haben, sondern dass
man glaubte, sie hätten stattgefunden. Das ganze Gebäude der
ältesten römischen Geschichte fiel sogleich zusammen, so wie diese
drei Prinzipien auf sie angewendet Wurden. Was. aber höchst
merkwürdig erscheint, ist, dass sie nicht nur alle drei von Voltaire
aufgestellt, sondern auch aufs Bestimmteste auf die Römische Ge-
schichte angewendet worden sind. Er sagt: Keine Nation ist mit
ihrem eignen Ursprunge bekannt; alle ursprünglicheGeschichte ist
also nothwendiger Weise Erfindung. 124) Er bemerkt, da sogar die
historischen Werke, welche die Römer einst besassen, alle zu
Grunde gingen, als ihre Stadt niedergebrannt wurde, so könne
man den Berichten keinen Glauben schenken, die in einer viel
spätern Periode von Livius und andern Gompilatoren gegeben Wur-
denßzö) Und da sich unzählige Gelehrte damit beschäftigten, Zeug-
nisse über religiöse Gebräuehe zu sammeln, welche zur Feier ge-
wisser Begebenheiten gestiftet waren, und sich dann auf diese
H4) "C'est Vimugination seule qui a don't les premiäres histoires. Nun seulement
chuque peuple invmta son origine, muis il invmta ausai Forigine du monde entier."
Dict. philos. Art. Histoire, See. 2 in Oeuv. XL, 195; siehe auch seinen Artikel über
Chronologie, XXXVIII, 77, über die Anwendung davon auf die Römische Geschichte,
wo er sagt: "Tite Live n'a garde de dire am quelle anmie Romulua commenga son
prätendu rägne." Und in XXXVI, 86: vtous las peuples so samt uttribuäs des origines
imaginaires; et uucun n'a touchä ä la väritabler"
m) "QMM fasse attention que lu räpublique Romaine a die? sing centg (m; m";
lristoriens; que Tite Liaze lui-mäme deßlore zu WM? dßß QMM-R monuments qui pärirent
presque tous dams Pinaendie de Roms" etc. Dict. pkilos. in Oem). XL, 202. S, 133;
"Ca peuple, si reeent an comparaisovz. des natirms asiafiques, a ätä cinq cents mmäes
Sam: historims. Ainsi, il n'est pas qurprenanf que Romulus mit ätä le fils de Mars,
qu'une louve ait 4516 m nourrice, qu'il ait anarclzä avec mille hommes de son village de
Rome contre vint-cinq mille combattantrdu villaye des Sabins."