280
Literatur in
Historische
Frankreich
Diese beiden Stände haben wahrlich hinlänglichen Grund für
den Hass, mit dem sie noch immer auf den grössten Franzosen
des 18. Jahrhunderts hinblicken. Denn Voltaire that mehr als
irgend ein anderer Mensch die Fundamente der geistlichen Macht
zu untergraben, und das Vorherrschen der klassischen Studien zu
zerstören. Hier ist nicht der Ort die theologischen Meinungen zu
besprechen, die er angriff, aber von dem Zustand der klassischen
Studien kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man einige
Umstände betrachtet, welche die Alten über ihre Geschichte be-
richten, und welche bis zu Voltaire's Erscheinen von den neueren
Philologen und durch sie von dem ganzen Volke ohne Weiteres
geglaubt wurden. Man glaubte, in alten Zeiten habe Mars eine
Jungfrau geschwächt und die Sprösslinge dieser Liebschaft wäre
niemand anders gewesen, als Romulus und Remus. Beide sollten
getödtet werden, wurden aber glücklich durch die Aufmerksamkeit
einer Wölfin und eines Baumhackers gerettet. Die Wölfin säugte
sie, und der Baumhacker pickte ihnen die Insecten weg; es wurde
ferner geglaubt, Romulus und Remus hätten, als sie zu Männern
aufgewachsen waren, den Entschluss gefasst, eine Stadt zu bauen,
und es sei ihnen mit Hülfe der Nachkommen Trojanischer Krieger
gelungen, Rom zu gründen. Man glaubte, beide Brüder wären zu
einem frühzeitigen Ende gekommen, Remus sei ermordet und Ro-
mulus von seinem Vater in den Himmel hinaufgeholt worden.
Dieser war zu dem Zwecke in einem Donnerwetter herab gekom-
men. Dann fuhren die grossen Gelehrten fort zu erzählen, wie
verschiedene Könige auf einander gefolgt wären._ Unter ihnen war
der merkwürdigste Numa, der mit seinem Weibe nur in einem
heiligen- Haine verkehrte. Ein anderer Souverain von Rom war
Tullus Hostilius. Dieser hatte die Geistlichkeit beleidigt und starb
an den Folgen ihres Zornes; sein Tod wurde durch einen Blitz-
Strahl herbeigeführt, und eine Seuche war ihm vorausgegangen.
Dann kommt ein anderer, Servius Tullius, auch ein König, und
seine Grösse war vorher angedeutet worden durch Flammen, die
um seinen Kopf herum erschienen, als er in seiner Wiege lag.
Nach alledem war es von geringer Bedeutung, dass die gewöhn-
lichen Gesetze der Sterblichkeit unterbrochen wurden; und man
versichert uns, diese unwissenden Barbaren, die ersten Römer
hätten 245 Jahre unter der Regierung von nur 7 Königen zuge-
bracht, die alle in ihren besten Lebensjahren erwählt, von denen
einer aus der Stadt vertrieben und drei getödtet worden wären.