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bis zum
Jahrh.
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weg, wozu sich dieser sonst so reizende Schriftsteller oft verleiten
lässt. Dabei hat Charrons Werk eine systematische Abgeschlossen-
heit, die immer Aufmerksamkeit erregen muss. An Originalität
stand er -in mancher Hinsicht hinter Montaigne zurück, aber er
hatte den Vorthcil, dass er nach ihm kam, und es leidet keinen.
Zweifel, dass er sich zu einer Höhe erhob, die Montaigne uner-
reichbar gewesen sein würde. Er nimmt seine Stellung gleichsam
auf der Höhe der Wissenschaft, und unterfängt sich kühn die
Elemente der Weisheit und die Bedingungen, unter denen sie wir-
ken werden, aufzuzahlen. In dem Schema, das er so entwirft,
lässt er theologische Dogmen gänzlich bei Seiteßä) und behandelt
manche bisher allgemein gültige Ansicht mit entschiedener Ver-
achtung. Er führt seinen Landsleuten zu Gemüth, dass ihre Reli-
gion das zufällige Ergebniss ihrer Geburt und Erziehung ist;_ und
wären sie in einem Mohamedanischen Lande geboren worden, so
würden sie ebenso fest an den lllohamedztnismus geglaubt haben,
als sie jetzt an's Christenthum glaubten. 46) Aus diesem Grunde
erklärt er es für absurd, sich über die verschiedenen Religionen
zu beunruhigen, da man ja sehe, dass diese Verschiedenheit aus
Verhältnissen entspringe, über die man keine Gewalt habe. S0
kann man auch die Bemerkung machen, dass jede dieser Religio-
nen sich für die einzig wahre erklartfn) und dass alle auf über-
natürliche Ansprüche, wie Mysterien, Wunder, Propheten und der-
gleichen gegründet sind. 48) Nur weil die Menschen dies vergessen,
habe, der in Tcnnemamfs Gesclz. der Philos. IX, 458-87 ist. Buhle, Gcsdk. der
neuem Pililos. II, 918-925, und 002mm, Hist. dc la phil. II. sörie, Vol. II, 289 sind
kurz und unbefriedigend. Selbst Dr. Parr, der doch in diesem Literaturzwcige sehr
belesen war, scheint Charron nur durch Bayle gekannt zu haben; siehe Anmerkungen
zu der Spital-Predigt in Parfs Works II, 520, 521; während Dugald Stewart mit
vernünftiger Tautologie an drei Stellen dies Nämliche aus Charron anführt. Stcwarfs
Phil. of ihc Mind II, 233, JII, 365, 393. Merkwürdig genug war Talleyrand ein
ärßsser Bewunderer des Buches De 1a Sagesse und schenkte sein Lieblingsexemplar
der Mad. de iGenlisl Sie erzählt dies Mün. de Genlis IV, 352-53.
'15) Siehe seine Definition oder vielmehr Beschreibung der Weisheit in Chawoaz,
De la Saycsse I, 295, II, 113, 115.
46) De la Sagesse I, G3, 351.
47) "L'homme se pnfäre am: autres, et 5a oonßc efötre meilleure w? plus vmie que
les auires, et swntre-reprocbent aussi les unes, aux autres quclquß chose, et par-lä
skntre-condaannenl d! Tzfivitcnt." De la rShges-se I, 348; 1, 144, 304, 305, 3051 n,
H6- Fast die nämlichen Worte braucht Charles Comic, Traitä de Myislatdan I, 233.
48) T eures trozwßnt etfoumissent nziracles, prodigcs, oraolcs, mystöres saßräs, Swivßlß
Iwoplläieeüföles, certains article's dcfoy et crßrmcesßzefcessaires am salut." De Za Scyesse I, 346.
Aßlwkle, Gesch. a. Civilisntion. 1. 2. 2