Ende
VOIII
des
bis Ende
des
Jahrhunderts.
277
Geschlecht, das die Vergangenheit bewundert, weil es die Gegen-
wart nicht kennt, sein Leben im Staube vergessener Manuscripte
hinbringt, und sich dann mit den Mitteln seiner geringen Gelehrsam-
keit für befähigt hält, über die Angelegenheiten der Menschheit zu
speculiren, die Geschichte verschiedener Perioden zu schreiben und
sogar jeder das Lob zu ertheilen, das ihr zukommt.
Mit solchen Schriftstellern war Voltaire immer im Kriege, und
Niemand hat so viel gethan, um den Einfluss, den sie einst selbst
über die höchsten Wissenszweige ausübten, zu verringern. Noch
eine andere Klasse von Dictatoren brachte dieser grosse Mann eben
so glücklich um den grössten Theil ihrer Autorität: nämlich die
alten klassischen Gelehrten und Commentatoren, die von der Mitte
des 14. bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Ertheilung des
Ruhmes in ihrer Hand hatten und als die ausgezeichnetsten Männer
verehrt wurden, die Europa je hervorgebracht hätte. Die beiden
ersten Angriffe auf sie wurden "spät im 17. Jahrhundert gemacht,
wo sich zwei Streitfragen erhoben, über die ich später berichten
werde eine in Frankreich und eine in England; durch beide
wurde ihre Macht bedeutend geschwächt. Aber ihre zwei furcht-
barsten Gegner waren ohne Zweifel Locke und Voltaire. Die
grossen Dienste, die Locke durch Schwächung des Ruhms der
alten klassischen Schule leistete, werden in einem andern Theil
dieses Werks betrachtet werden; hier haben wir es nur mit Vol-
taire's Schritten gegen sie zu thun.
Das Ansehen der grossen klassischen Gelehrten beruhte nicht
bloss auf ihrer Gelehrsamkeit, die nicht zu leugnen war, sondern
auch auf der Voraussetzung der grossen Würde ihres Studiums.
Es war allgemeiner Glaube, dass die alte Geschichte an und für
sich einen grossen Vorzug vor der neueren besässe; und da dies
für ausgemacht galt, so folgte natürlich, dass die, welche sich mit
der einen beschäftigten, ruhmwürdiger wären, als die sich mit der
andern zu thun machten; und dass z. B. ein Franzose, der die
Geschichte einer griechischen Republik schriebe, einen edleren Geist
Verriethe, als wenn er die Geschichte seines Vaterlandes geschrieben
hätte. Dieses sonderbare Vorurtheil war Jahrhunderte lang eine
überlieferte Vorstellung gewesen; die Leute nahmen sie an, weil
sie sie von ihren Vätern erhielten, und es wäre fast eine Gottlosig-
keii; gewesen, es zu bestreiten. Daher widmeten sich die wenigen
wirklichen Schriftsteller über Geschichte vornehmlich der alten Ge-
schichte, oder wenn sie einen Bericht aus neuerer Zeit gaben, so