Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 2)

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Historische Literatur in Frankreich 
der Angelegenheiten durch einige Prinzipien, die nur die Theologie 
entdecken könne, geregelt werde. Freilich entspringt dies nur aus 
dem allgemeinen Gesetz des Geistes, nach welchem die Leute ge- 
neigt sind, die Bedeutung ihres Lieblingsgeschäfts zu übertreiben, 
die Ereignisse nach den Maximen desselben zu erklären, und gleich- 
sam die Vorfälle des Lebens in seinem Medium zu brechen") Bei 
den Theologen sind jedoch solche Vorurtheile gefährlicher, als bei 
irgend einer andern Profession, denn nur bei ihnen haben sie die 
Rückenstärkung jener kühnen Annahme übernatürlicher Autorität, 
worauf die Geistlichen sich gewöhnlich so gerne stützen. 
Diese geschäftlichen Vorurtheile sind unter einer Regierung 
wie die Ludwigs XIVFS) mit Beihülfe der theologischen Dogmen 
vollkommen ausreichend, die Eigenheiten, welche das historische 
Werk von Bossuet auszeichnen, zu erklären. Ausserdem wurde 
die allgemeine Richtung in seinem Falle durch persönliche Charakter- 
züge noch verstärkt. Sein Gemüth zeigt einen Hochmuth, den wir 
fortdauernd in allgemeine Verachtung gegen das Menschengeschlecht 
ausbrechen sehen") Zu gleicher Zeit schien seine erstaunliche 
Beredtsamkeit, und die Wirkung, die sie immer und unfehlbar her- 
vorbrachte, sein übermüthiges Zutrauen auf die eigene Kraft zu 
rechtfertigen. In manchen seiner grossen Ausbrüche ist wirklich 
so viel Feuer und Majestät des Genius, dass sie uns an die erha- 
benen und glühenden Worte erinnern, womit die Propheten des 
Alterthums die Herzen ihrer Hörer erschütterten. S0 kam sich 
Bossuet vor, als sei er über die gewöhnliche Schwäche der Men- 
schen zu einem höheren Standort erhoben, und von dort schmähete 
er gern ihre Thorheiten und verlachte gern die Ansprüche ihres 
Genius. Was nur nach intellectueller Kühnheit aussah, schien ihn 
in seiner Ueberlegenheit bitter zu stimmen. S") Und diese grenzen- 
77) Und dann nennen sie, wie Charles Oomte sehr richtig sagt, dieses Vorurtheil 
ihre sittliche Gesinnung oder ihr sittliches Gefühl. Oonziie, Traitä de Zägislation I, 116. 
73) Der Zusammenhang von Bossueifs Ansichten mit dem Despotismus Lud- 
wig's XIV. wird von Montlosier berührt; jedoch legt er wohl zu viel Gewicht auf 
den Einfluss, den das Civilgesetz auf beide ausübte. Montloaier, Monarchie Frungaise 
n, 90. 
79) Er gehörte zu einer Klasse von Historikern, die ein berühmter Schriftgtglley 
in einem einzigen Satze beschreibt: udans Zeurs äßrits Fautezar parait sozwent gromd, 
mais Fhwrrßanitä est toujozers petite." Tooqueville, Dämocratie IV, 139. 
so) Kaum wird irgend Jemand, der die Schriften und die Geschichte Bossuefs 
kennt, noch Beweise für seine ausserordentliche Anmassung verlangen; aber der Leser
	        
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