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Historische Literatur in Frankreich
einer Erwähnung werth waren") Der grosse Apostel, der unter
Millionen von Götzendienern die erhabene Wahrheit des Einen
Gottes verbreitete, wird von Bossuet mit der grössten Verachtung
behandelt, denn Bossuet, getreu dem Geiste seines Standes, konnte
an Denen nichts zu bewundern finden, die von seiner eignen Mei-
nung abwiehen; 73) aber wenn er irgend ein unbekanntes Mitglied
der Klasse zu erwähnen hat, zu der er selbst gehört, dann schüttet
er sein Lob mit unbegrenzter Freigebigkeit aus. In seinem Plan
der Universalgeschiehte verdient Mahomed keine Rolle zu spielen.
Er wird übergangen; aber der wahrhaft grosse Mann, der Mann,
dem das ganze Menschengeschlecht wirklich zu Dank verpflichtet
ist, das ist Martin, Bischof von Tcurs. Seine unvergleichlichen
Thaten, sagt Bossuet, erfüllten die ganze Welt mit seinem Ruhme,
sowohl Während seines Lebens, als nach seinem Tode. 74) Freilich,
nicht ein gebildeter Mann unter Funfzigen hat jemals den Namen
Martin's, Bischofs von Tours, gehört; aber Martin that Wunder, und
die Kirche hat ihn zu einem Heiligen gemacht; seine Ansprüche
auf die Aufmerksamkeit des Historikers waren daher viel grösser,
als die Ansprüche eines Mannes wie Mahomed, der sich dieser
Vortheile nicht rühmen konnte. So wird nach der Meinung des
einzigen ausgezeichneten Historikers unter Ludwig XIV. der grösste
Mann, den Asien je hervorgebracht, und einer der grössten den die
Welt je gesehen, in jeder Hinsicht einem gemeinen unwissenden
Möneh untergeordnet; dessen grösste That die Errichtung eines
Klosters war, und der den besten Theil seines Lebens in unnützer
72) „1,e faux po-ophete dumm ses victoires pom- toute marque de m mission."
Bossuet, p. 125.
73)VDie grössten mahomedanischen Schriftsteller haben immer erhabenere Ideen
über die Gottheit ausgesprochen, als die Mehrheit der Christen hegt. Der Koran
enthält schöne Stellen über den einen Gott, und was die Ansichten ihrer gewöhnlichen
Theologen betriift, so kann ich eine interessante mahomedanische Predigt aus den
Transaetions of the Bombay Sooiety I, 146-158 anführen. Siehe auch III, 398-448,
eine Abhandlung von Vans Kennedy; und vergleiche eine merkwürdige Stelle beson-
ders wegen des Ortes, woher sie stammt, in der Auiobiograplzy vf ihe Empcror Jehun-
gueir, 44. Die so gedankenlos sind, zu glauben, Mahomed sei ein Heuchler ge-
wesen, sollten lieber die vortrefflichen Bemerkungen von Comle, Philos. pos. V, 76, 77,
studiren, der sehr wahr sagt: Hqzdun komme vraiment supe'1'iezoo' n'a jtlhZtli-Y pu exereer
dumme grand aetizm sur ses semblables Sam 51W d'abord Zui -me1ne intimement can-
vaincu."
74) Samt-Martin fut fait äväque de Tom's, e! remplit tout Funivers du bruit de m
au-intetü et de ses miracles, durant sa m'a, et apres sa onwrt." Bossuet, Hist. univ. lll.