Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 2)

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des Franz. 
Geschichte 
Geistes 
der den geistigen Zustand der Franzosen im Anfange des 16. Jahr- 
hunderts kennt, wird es für möglich halten, dass ein so tief in 
Aberglauben versunkenes Volk an einem Schriftsteller Geschmack 
finden könne, von dem der Aberglaube beständig angegriffen wird. 
Aber der Fortschritt im Beobachten, und in Folge dessen der Zu- 
wachs des Wissens bereiteten eine grosse Veränderung im Franzö- 
sischen Geiste vor. Der Prozess, der so eben in England stattge- 
funden hatte, nahm jetzt seinen Anfang in Frankreich, und in bei- 
den Ländern war die Folge der Begebenheiten genau die nämliche. 
Der Geist des Zweifels, bisher auf einen einsamen Denker hie und 
da beschränkt, nahm allmälig eine kühnere Gestalt an; zuerst 
machte er sich in der Nationalliteratur Luft, dann wirkte er auf 
das Betragen praktischer Staatsmänner. Dass in Frankreich eine 
genaue Verbindung zwischen Skepticismus und Toleranz stattfand, 
ist bewiesen, nicht nur aus allgemeinen Gründen, die uns immer 
auf eine solche Verbindung schliessen lassen, sondern auch durch 
den Umstand, dass wenige Jahre vor dem Erlass des Edicts von 
Nantes der erste systematische Skeptiker in Französischer Sprache 
erschien. Die Abhandlungen von Montaigne wurden 1588 ver- 
öffentliehtfü) und bilden eine Epoche nicht nur in der Literatur, 
sondern auch in der Civilisation Frankreichs. Wenn wir persön- 
liche Eigenheiten, die weniger Gewicht haben, als man gewöhnlich 
annimmt, bei Seite lassen, so wird sich zeigen, dass der Unter- 
schied zwischen Rabelais und Montaigne einen Maassstab abgiebt 
für den Unterschied i") zwischen 1545 und 1588, und dass er 
einigermaassen mit dem Verhältniss correspondirt, welches ich 
zwischen Jewel und Hooker und zwischen Hooker und Ohilling- 
worth nachgewiesen habe; denn das Gesetz, welches alle diese 
Verhältnisse regiert, ist das Gesetz des fortschreitenden Skepti- 
cismus. Was Rabelais für die Stützen der Theologie war, das 
war Montaigne für die Theologie selbst. Rabelaisf Schriften waren 
nur gegen die Geistlichkeit, aber die von Montaigne gegen das 
 
3") Die beiden ersten Bücher 1580,'das dritte 1588 mit Zusätzen zu den beiden 
vorigen. Siehe Näceron, Mäm. pour servir ä Wulst. des hoonmes illuetres XVI, 210, 
Paris 1731. 
37) Der erste Abdruck von Iiabelaß Pantagrzeel hat keine Jahreszahl auf dem 
Titel, über man weiss, dass das dritte Buch zuerst im Jahre 1545 und das vierte 1546 
gedruckt wurde. Brunet, Manual du liln-aire IV, 4-6. Die Angabe in Bioyr. univ. 
VXXXLVI, 482, 483 ist ziemlich verworren. 
	        
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