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bis zum
J ahrh.
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grosse Schritt zur religiösen Freiheit von dem Geiste des Skepticis-
mus begleitet gewesen sei, ohne den man überall nie etwas von
Duldung gewusst hat. Und dass dies wirklich der Fall war, lässt
sich leicht durch eine Untersuchung des Uebergangs beweisen, in
den Frankreich gegen das Ende des 16. Jahrhunderts einzutreten
begann.
Die Schriften von Rabelais werden oft für das erste Beispiel
von religiösem Skepticismus in der Französischen Literatur ange-
sehen. 33) Aber nach einer ziemlich genauen Bekanntschaft, die
ich mit den Werken dieses ausgezeichneten Mannes gemacht, habe
ich diese Ansicht durchaus nicht gerechtfertigt gefunden. Es ist
wahr, er behandelt die Pfaden mit der grössten Verachtung, und
nimmt jede Gelegenheit wahr, sie lächerlich zu machen. 34) Seine
Angriffe gehen jedoch allemal auf ihre persönlichen Laster und
nicht auf den beschränkten unduldsamen Geist, dem diese Laster
hauptsächlich zuzuschreiben sind. In keinem Falle zeigt er irgend
etwas von consequentem Skepticismtis, 35) noch scheint er es ein-
zusehen, dass die schmähliche Lebensart der Französischen Geist-
lichkeit nur die unvermeidliche Folge eines Systems war, das bei
all seiner Verderbtheit noch vollkommen den Anschein von Kraft
und Lebensfahiglaeit hatte. Ja, die ausserordentliche Popularität,
die er genoss, ist fast allein schon entscheidend; denn niemand,
33) Ueber Rabelais, den man für den Gründer des Französischen Skepticismus
hielt, vergl. Lavalläe, Hist. des Frangais II, 306; Stcplaens Lecturcs an tlie history of
Fmnce II, 242; Sis-znondi XVI, 376.
34) Vorzüglich die Mönche. Siehe I, 278, 282, II, 284-85 von Oeuvres de
Rubelais, Amsterdam 1725. Auch die hohen Würdenträger der Kirche schont er nicht,
denn er sagt, dass Gargantua, „iS'e anorvait m arclzidiacre" I, 132, und zweimal lII,
65, IV, 199-200 macht er eine sehr unanständige Anspielung auf den Papst. In
I: 250, 261 satirisirt er die Art und Weise, wie der Gottesdienst verrichtet wurde:
"Dom luy dist le moyne: Je m; dors jamais ä man aise, sinon quvmd je suis am ser-
"Wm, im quand je prie Dieu."
35) Sein Scherz über die Stärke Simson's II, 29; 30 und seine Verspottnng eines
der mosaischen Gesetze HI, 34, sind im Uebrigen mit seinem Buche so Wenig im
Zusammenhang, dass es nicht scheint, als gehörten sie zu seinem allgemeinen Plane.
Die Commentatoren, die bei jedem Schriftsteller, den sie mit Anmerkungen versehen,
9111611 verborgnen Sinn entdecken, haben Rabelais nach den höchsten Dingen streben
lassen, als suchte er die umfassendsten soeialen und religiösen Reformen zu. bewirken.
Daran zweifle ich sehr. Jedenfalls linde ich keinen Beweis dafür, "und muss mich zu
der Ansicht bekennen, dass Rabelais einen grossen Theil seines Rufes der Dunkelheit
ßeiuer Sprache verdankt, Ueber die entgegengesetzte Ansicht und für seine umfassen-
den Gesichtspuncte siehe eine kühne Stelle in Uvleridye, Liz. renzains I, 138, 139.