Dreizehntes
Kapitel.
der historischen Literatur in Frankreich vom Ende
18. Jahrhunderts.
Zustand
des
bis zum Ende
des
Man kann sich leicht vorstellen, dass jene grossen Bewegun-
gen in dem Geiste Frankreichs, von denen ich eben gesprochen,
nothwendig eine grosse Veränderung in der Methode der Geschicht-
schreibung hervorbringen mussten. Der kühne Geist, mit dem die
Menschen nun die Vorgänge ihrer eigenen Zeit zu beurtheilen an-
fingen, musste nothwendig auf ihre Ansichten über die Vorgänge
früherer Zeitalter Einfluss haben. In diesem, wie in jedem Wissens-
zweige bestand die erste Neuerung in der Anerkennung der Noth-
Wendigkeit, das zu bezweifeln, was man bisher geglaubt hatte;
und als diese Gesinnung einmal Wurzel gefasst hatte, wuchs sie
und zerstörte mit jedem Schritte einige von den ungeheuren Absur-
ditäten, durch die, wie wir gesehen haben, auch die besten Ge-
schiehtswerke entstellt waren. Die Keime der Reform kann man
schon im 14. Jahrhundert finden, aber die Reform selbst begann
erst am Ende des 16. Jahrhunderts. Während des 17. Jahrhunderts
ging sie etwas langsam vorwärts, aber im 18. bekam sie plötzlich
einen Zuwachs von Kraft, und besonders in Frankreich wurde sie
durch den furchtlosen Forschergeist, der dem Zeitalter eigen war,
beschleunigt, einen Geist, der die Geschichte von unzähligen Thor-
heiten reinigte, ihren Maassstab erhöhte und ihr eine Würde ver-
lieh, von der man bisher nichts gewusst hatte. Die Entstehung
des historischen Skepticismus und die Ausdehnung, in welcher er
sich verbreitete, bilden wirklich in den Annalen des Europäischen
Geistes so interessante Züge, dass man sich wundern muss, warum
Niemand es unternommen, eine Bewegung zu untersuchen, der ein
grosser Zweig der modernen Literatur seine werthvollsten Eigen-
schaften verdankt. In diesem Kapitel hoffe ich, dem Mangel, so
weit es Frankreich angeht, abzuhelfen; ich werde mich bemühen,
die verschiedenen Schritte bemerklich zu machen, durch die die
Entwickelung bewirkt wurde; und wenn wir so die Verhältnisse,