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Ursachen der Franz. Revolution.
Frühere
standen worden, es hätte sich Alles erhalten lassen, was für die
einzigen beiden Zwecke, die eine Regierung im Auge haben sollte,
nöthig ist, nämlich für die Erhaltung der Ordnung und die Ver-
hinderung des Verbrechens. Aber in der Mitte der Regierung Lud-
wig's XV. oder wenigstens bald darauf änderte sich der Zustand
der Dinge, und in wenigen Jahren wurde der Geist Frankreichs
so demokratisch, dass es unmöglich wurde, eine Revolution auch
nur zu verzögern, welche eine Generation früher ganz und gar
hätte vermieden werden können. Diese merkwürdige Veränderung
hängt damit zusammen, dass sich der Französische Geist jetzt mehr
gegen den Staat selbst, als bisher gegen die Kirche zu wenden
begann. Sobald diese, ich möchte sagen zweite Epoche des
18. Jahrhunderts förmlich eingetreten war, wurde die Bewegung
unwiderstehlich. Ereigniss auf Ereigniss folgte mit reissender
Schnelligkeit, jedes mit seinem Vorläufer verbunden, und das Ganze
bildete eine Richtung, gegen die kein Widerstand möglich war.
Vergebens gab die Regierung in einigen wichtigen Punkten nach,
ergriff Massregeln zur Ueberwachung der Kirche und zur Vermin-
derung der Gewalt der Geistlichkeit, ja, unterdrückte selbst den
Orden der Jesuiten. Vergebens rief die Krone jetzt zum ersten
Male Männer, die von dem Geist der Reform erfüllt waren, in ihren
Rath, Männer wie Turgot und Necker, deren weise und freisinnige
Vorschläge in ruhigeren Tagen die Bewegung des Volksgeistes
gestillt haben würden. Vergebens wurden Versprechungen ge-
macht, die Abgaben gleichmässig zu vertheilen, einigen der schreiend-
sten Beschwerden abzuhelfen, einige der anstössigsten Gesetze
zurückzunehmen. Vergebens sogar wurden die Generalstaaten zu-
sammengerufen, und so nach einem Verlauf von 170 Jahren das
Volk wieder zur Theilnahme an der Verwaltung seiner eigenen
Angelegenheiten zugelassen. Alles dies war vergebens, denn die
Zeit zum Vertrage war vorbei, und die Zeit zum Schlagen gekom-
men. "Die freisinnigsten Zugeständnisse, die man sich nur hätte
ausdenken können, würden jenen tödtlichen Kampf nicht abge-
wendet haben, denn der Verlauf der bisherigen Ereignisse hatte
ihn unvermeidlich gemacht. Das Maass jener Zeit war voll. Die
höheren Klassen hatten im Rausch ihrer langbesessenen Gewalt
den Bruch herausgefordert und mussten sich den Ausgang gefallen
lassen. Es war keine Zeit zur Gnade, es war kein Einhalt, kein
Mitleid, kein Gefühl. Die einzige Frage, die noch übrig blieb,
war, ob die, welche den Sturm erregt hatten, mit dem Wirbel-