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des Franz.
Geschichte
Geistes
nicht die geringste Sympathie. Um der wechselnden Politik seiner
Zeit willen hatte er schon zweimal seine Religion gewechselt;
und er nahm "keinen Anstand, sie zum drittenmale 29) zu Wechseln,
als er fand, dass er dadurch seinem Vaterlande die Ruhe sichern
könne. Da er so viel Gleichgültigkeit gegen seinen eigenen Glauben
gezeigt hatte, so konnte er anständiger Weise nicht viel Fanatis-
mus gegen den Glauben seiner Unterthanen entwickeln. 30) Und
so finden wir, dass er der Urheber der ersten öffentlichen Toleranz-
Acte war, die irgend eine Regierung in Frankreich, .seit das Christen-
thum die Landesreligion gewesen, bekannt gemacht. Schon im
fünften Jahre seiner feierlichen Abschwörung des Protestantismus
erliess er das berühmte Edict von Nantesßl) wodurch zum ersten
Mal einer katholische Regierung Ketzern einen billigen Antheil
bürgerlicher und religiöser Rechte zugestand. Dies war ohne Frage
das wichtigste Ereigniss, das bisher in der Geschichte der Fran-
zösischen Civilisation eingetreten. i") An sich betrachtet ist es
bloss ein Beweis von den aufgeklärten Ansichten des Königs, aber
wenn wir auf seinen allgemeinen Erfolg und das Aufhören der
Religionskriege von der Zeit an sehen, so kann es uns nicht ent-
_gehen, dass es nur zu einer grossen Bewegung gehörte, woran
das Volk selbst Theil nahm. Wer die Wahrheit der Principien
anerkennt, die ich aufzustellen versucht, wird erwarten, dass dieser
von der Sorbonne haben die höchste Gewalt zur Züchtigung der Ketzer, welche sie
mit Feuer in's Werk setzen, indem sie sie lebendig und langsam braten." Relat. des
ambussad. Vänitiens I, 262, II, 24.
'19) Clemens VIII. fürchtete nachher sogar noch einen vierten Ucbcrtritt.
meinte noch immer, Heinrich IV. werde zuletzt vielleicht wieder zum Protestantismus
zurückkehren, wie er es schon einmal gethan, Ranke, Die Päpste II, 246, Herr
Ranke hat durch seine grosse Kenntniss italienischer Manuscripte mehr Licht über diese
Vorgänge verbreitet, als die Französischen Historiker es gekonnt.
30) Ueber seinen Uebertritt, dessen Sinn damals ebenso offenbar war, als jetzt,
vergl. Duplessis Mornay, Mäm. et corresp. I, 257 mit Sully, Oeconoanie royale II, 126.
Siehe auch Howellä: Letters I, 42, und einen Brief von Sir H. Wotton von 1593,
gedruckt in Reliquiae Wottonianae 7l1. Ranke, Civil war's in Fwmee II, 257, 355.
Uapefigzee, Hist. de la reforme VI, 305, 358.
34) Das Edict von Nantes war vom Jahre 1598; Sein Uebertritt im Jahr 1593.
Sismondi, Hist. des Frangais XXI, 202, 486. Aber im Jahre 1590 wurde dem Papst
als wahrscheinlich, wenn nicht als gewiss, mitgetheilt, dass Heinrich in den Sehooss
der katholischen Kirche zurückkehren würde. Ranke, Die Päpste II, 210.
39) Sismondi sagt von diesem Edict: "Keine Epoche in der Französischen Geschichte
bezeichnet vielleicht besser das Ende einer alten und den Anfang einer neuen Welt"
Hist. des Frangais XXI, 489.