Frühere Ursachen der
Franz.
Revolution.
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durch den Glanz ihres Herrschers geblendet, und fremde Länder
durch die Grösse ihrer Siege eingeschüchtert werden möchten.
Der Ausgang von alledem war, dass im Anfange des 18. Jahr-
hunderts, als der Französische Geist zur Thatigkeit aufgestachelt
wurde, der Gedanke, die Missbräuche der Monarchie anzugreifen,
auch dem kühnsten Denker nicht in den Kopf kam. Aber unter
dem Schutz der Krone war eine andere Institution erwachsen,
gegen die man weniger zart fühlte. Der Klerus, der die Gewissen
der Menschen so lange hatte unterdrücken dürfen, wurde nicht von
den Nationalvorurtheilen geschützt, welche die Person des Königs
umgaben; auch hatte keiner aus seinem Stande, mit der einzigen
Ausnahme Bossuefs, viel dafür gethan, den Ruhm Frankreichs zu
erhöhen. Ja, die Französische Kirche besass zwar unter der Re-
gierung Ludwigs XIV. sehr viel Gewalt, hatte sie aber immer in
Unterordnung unter die Krone ausgeübt, auf deren Befehl sie sogar
gewagt hatte, sich dem Papste selbst zu widersetzen. 286) Es war
daher natürlich, dass in Frankreich die geistliche Macht eher als
die weltliche angegriffen wurde, weil sie eben so despotisch, aber
weniger mächtig und durch populäre Ueberlieferung, die Haupt-
stütze jeder alten Einrichtung, nicht geschützt war.
Diese Betrachtungen erklären es hinlänglich, warum in dieser
Hinsicht der Französische und Englische Geist so ganz verschiedene
Wege einschlugen. In Englandwaren die Gemüther weniger in
den Banden unbedingter Loyalität und konnten daher bei jedem
grossen Schritte vorwärts ihre Zweifel und Forschungen sowohl
gegen die Politik, als gegen die Religion richten, und so neben
der Gründung ihrer Freiheit, ihren Aberglauben vermindern, wo-
durch sie das Gleichgewicht des Nationalgeistes erhalten und keinem
seiner beiden Seiten ein zu grosses Uebergewicht eingeräumt haben.
Aber in Frankreich war die Bewunderung für das Königthuni so
gross geworden, dass dieses Gleichgewicht gestört wurde; die Leute
wagten sich mit ihren Forschungen nicht an die Politik, und rich-
teten sieh so auf die Religion, wo sie das sonderbare Schauspiel
gaben, eine reiche und mächtige Literatur zu erzeugen, in welcher
9-96) Uapeßguds Louis XIV, I, 204, 301; Koch, Taölelw des Ylälßl- U, 16; Ranke
Die Päpste II, 257 schreibt dies den Umständen zu, die mit dem Abfall Heinrich's IV.
zusammenhingenk; aber die Ursache liegt viel tiefer und ist mit dem Siege der welt-
lichen Interessen über die geistlichen, dessen Folge auch Heinrich's IV. Politik selbst
War, verknüpft.
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