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der
Frühere Ursachen
Franz.
Revolution.
Dies ist nicht der Weg, den man bei gesundem Zustande der Ge-
sellschaft einschlagen würde, und es leidet keinen Zweifel, dass
die Verbrechen und die gesetzlose Gewaltthätigkeit der Französi-
schen Revolution zum grossen Theile dieser Eigenthümlichkeit
zuzuschreiben sind. Offenbar müssen bei einem regelmässigen
Fortschritt des Volks politische und religiöse Neuerungen mit ein-
ander Schritt halten, und das Volk seine Freiheit vermehren, wah-
rend es seinen Aberglauben vermindert. In Frankreich wurde
umgekehrt fast 40 Jahre lang die Kirche angegriffen und die Re-
gierung verschont. In Folge dessen wurde die Ordnung und das
Gleichgewicht des Nationalgeistes zerstört; die Gemüther der Men-
schen gewohnten sich an die kühnsten Speculationen, während ihre
Handlungen von dem drückendsten Despotisnius gemeistert wurden,
und sie fühlten sich im Besitz von Fähigkeiten, deren Anwendung
ihre Herrscher ihnen nicht gestatten wollten. Als daher die Fran-
zösische Revolution ausbraeh, war sie nicht eine blosse Erhebung
unwissender Sklaven gegen gebildete Herren, sondern es war eine
Erhebung von Männern, in denen die Verzweiflung, welche die
Sklaverei erzeugte, durch die Mittel ihres fortgeschrittenen Wissens
verstärkt wurde; von Männern, welche in jenem furchtbaren Zu-
Stande waren, Wo der Fortschritt der Intelligenz dem Fortschritt
der Freiheit voraneilt, und wo sich der Wunsch fühlbar macht,
nicht nur eine Tyrannei aus dem Wege zu räumen, sondern auch
einen Schimpf zu rächen.
Diesem müssen wir ohne Zweifel manche von den gehässigsten
Charakterzügen der Französischen Revolution zuschreiben. Es
wird daher eine höchst interessante Frage, wie es zuging, dass in
Frankreich eine grosse Bewegung statt fand, in der fast 40 Jahre
lang die talentvollsten Männer die Freiheit vernachlässigten, wah-
rend sie dem Skcpticismus Vorschub leisteten und die Macht der
Kirche verminderten, ohne die Freiheiten des Volks zu vermehren,
da doch in England politische Freiheit und religiöser Skepticismus
zusammen gingen und sich einander forthalfen.
anzugreifen. Ueber diese merkwürdige Thatsache, die mehrere Schriftsteller andeuten,
aber keiner erklärt, vergleiche Lacretelle, X VIIIe aieale II, 305; Barruel, Mäm. pom-
Phist. du Jaeobinisme I, p. XVIII; vol. 11, P- 113; lbcqzzeville, Lümcien räyime,
p. 241; Alisonüs Europa I, 165; XIV, 285; Mäm. de Rivarol, p. 35; Soulavie, Rkgne
de Louis XVI, IV, 397; Lamartiaze, Hist. des Girondms I, 183; Oeulvres de Foltazire
LX, 307; LXVI, 34.