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Geschichte des Franz.
Geistes
Vorstellungen jene erhabenen Fragen -zu verdunkeln, die Niemand
mit roher Hand berühren sollte; denn sie gehören für jeden Ein-
zelnen nach dem Maasse seiner geistigen Fähigkeit, denn sie liegen
in jener unbekannten Region, welche das Endliche von dem Un-
endlichen trennt, und bilden gleichsam den geheimen und persön-
'lichen Bund jedes Menschen mit seinem Gott.
Wie lange diese traurige Zeit 22) im gewöhnlichen Lauf der
Dinge in Frankreich noch gedauert haben möchte, ist eine Frage,
die wir jetzt vielleicht nicht mehr zu beantworten vermögen, ob-
gleich es keinen Zweifel leidet, dass selbst der Fortschritt empi-
rischer Kenntnisse, nach dem schon angedeuteten Verlaufe, am
Ende ausgereicht haben würde, ein so grosses Volk aus seiner
Erniedrigung zu retten. Aber zum Glück ereignete sich, was wir
nur einen Zufall nennen können, womit aber eine höchst bedeu
tende Aenderung eintrat. Im Jahre 1589 bestieg Heinrich IV. den
Thron von Frankreich. Dieser grosse König, der allen Französi-
schen Monarchen des 16. Jahrhunderts weit überlegen war, 23)
n) Der 19. und 20. Band von öYsmrmdz"s Gesclzriclzte der Franzosen enthalten
schmerzliche Beweise von dem schrecklichen innern Zustande Frankreichs vor Hein-
riehls IV. Thronbesteigung. Sismondi sagt XX, 11-16, einmal hatte es den Anschein,
als wäre die einzige Hoffnung ein Rückfall in den Feudalismus; und Monteil, Hist.
des divers ätats V, 242-49: „Mehr als 300,000 I-Iäuser waren zerstört." De Thou
in seinen Denkwürdigkeiten sagt: "Die Gesetze wurden verachtet, die Ehre Frank-
reichs war fast verloren und unter dem Deckmantel der Religion athmete man
nur Hass, Rache, Mord und Brand." Mäon. de la m'a in Hist. urziv. I, 120, und in
seiner grösseren Geschichte erzählt er uns unzählige Verbrechen und Verfolgungen,
die ohne Unterbrechung verfielen. S. II, 383, IV, 378, 380, 387, 495 , 490, 539,
V, 180, 518, 501, 547, VI, 421, 422, 424, 426-27, 430, 469. Vergl. Duplessis,
Mem. et Uorr. II, 41, 42, 322, 335, 611-12, 1II, 344-45, IV, 112-14; Benoist,
Hist. de l'e'rlz't de Nantes I, 307, 308; Duwrnet, Hist. de la Sorborme I, 217_
93) Dies will wahrlich nicht viel sagen und ein viel grösseres Lob kann man ihm
mit Recht ertheilen. Ueber seine innere Politik kann nur Eine Meinung sein; und
Flassen spricht in den günstigsten Ausdrücken von seiner auswärtigen Politik. Hist.
de däplom. fremgaisc I1, 191, 192, 294-97 , III, 243. Ebenso Capefigue, ein un-
freundlicher Beurtheiler, Hist. de la reiforane Vol. VII, p. 14, Vol. VIII, p. 156.
Fontenay lllarcuil, der ein Zeitgenosse Heinriclfs IV. wer, obgleich er viele Jahre nach
der Ermordung des Königs schrieb, sagt: „Dieser grosse König, der mehr Ansehn in
der Welt genoss als irgend einer seiner Vorfahren seit Karl dem Grossen." 1115m,
de Fontenay I, 46. Duplessis Mornay nennt ihn "den grössten König, den die Christen-
heit scit 500 Jahren hervorgebrachtf" und Sully nennt ihn den grössten König von
Frankreich. Duplcssis Mcrnay, Mäm. et eorresp. XI, 30. 77, 131.. Sully, Economies
royales VII, 15. Vergl. VI, 397-98, IX, 35, 242, mit einigen geschcidten Bemer-
kungen in 1116m. du Genlis, Paris 1825, IX, 299. -