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Bevoämundender
Geist unter
Ludwig XIV.
Kenntnisse bei Staatsmännern finden, die immer mit den wichtigsten
Angelegenheiten beschäftigt sind, Depeschen zu schreiben, Reden
zu halten, eine Partei im Parlament zu organisiren, eine Intrigue
im Kabinet zu vereiteln? Oder wenn der König seine Gönner-
sehaft in Gnaden nach seinem eignen Urtheile verleihen sollte,
können wir erwarten, dass blosse Philosophie und Wissenschaft
hohen und mächtigen Fürsten geläuüg sei, die ihre eignen beson-
dern und wichtigen Studien haben, die die Mysterien der Heraldik,
die Natur und Würde des Ranges, das Verhältniss und den Werth
der verschiedenen Orden, Deeorationen und Titel, dieGesetze des
Vortritts, die Vorrechte adeliger Geburt, die Namen und die Wir-
kungen von Ordensbäindern, Sternen und Hosenbändern, die ver-
schiedene Art und Weise, wie man eine Ehrenstelle überträgt,
Aemter verleiht, wie man Ceremonieen einriehtet, die Feinheiten
der Etiquette beobachtet, und alle übrigen höfischen Vollkommen-
heiten zu lernen haben, welche nothwendig sind, um ihr hohes Amt
zu verwalten?
Die blosse Aufstellung solcher Fragen zeigt die Absurdität des
Prineips, das sie enthalten. Denn wenn wir nicht glauben Wollen,
dass Könige allwissend und ohne Fehl sind, so ist es offenbar,
dass sie in Verleihungen von Belohnungen sich entweder von per-
sönlicher Laune, oder durch das Zeugniss urtheilsfähigcr Richter
müssen leiten lassen; und da niemand ein competenter Richter über
wissenschaftliche Auszeichnung ist, wenn er nicht selbst ein Ge-
lehrter ist, so werden wir zu der unerhörten Alternative getrieben,
dass die Belohnungen für geistige Arbeiten entweder ohne Urtheil
ertheilt werden, oder dass sie auf den Ausspruch der nämlichen
Klasse, die sie empfängt, auch gegebenwerden müssen. Im ersten
Falle wird die Belohnung lächerlich, im letzteren schimpiiich. Im
ersten Falle werden schwache Männer durch das Geld, welches
dem Fleissc genommen wird, beglückt werden, um es auf Müssig-
gang zu verschwenden, aber im andern Falle sollen sich Männer
von wirklichem Genius, jene grossen und glorreichen Denker, die
Herrscher und Lehrer des menschlichen Geschlechts, mit läppischen
Titeln ausputzen lassen, und nachdem sie in elendcm Wettkampf
um die schmutzige Gunst des Hofes gestritten, sollen sie sich zu
Bettlern beim Staate erniedrigen, die nicht nur ihren Theil an der
Beute in Anspruch nehmen, sondern sogar die Verhältnisse regu-
liren, nach denen man jedem den seinigen zumesse.