Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 2)

Bevormundender Geist unter 
Ludwig'XIV. 
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man nicht den Grad ihrer Wissenschaft vermisst. Also die Ge- 
schichte eines Landes ohne Rücksicht auf seinen intelleetuellen 
Fortschritt zu schreiben, ist, als wenn ein Astronom ein Planeten- 
system zusammenstellen wollte ohne Rücksicht auf die Sonne, bei 
deren Licht allein die Planeten gesehen werden können, und durch 
deren Anziehungskraft sie in ihrem Lauf erhalten und gezwungen 
werden, ihre angewiesencn Bahnen zu vollenden. Denn der grosse 
Lichtkörper mit all seinem himmlischen Glanz ist kein würdigerer 
und müehtigerer Gegenstand, als der menschliche Geist in unserer 
Welt. Dem menschlichen Geist, und ihm allein verdankt jedes 
Volk seine Wissenschaft. Und was anders als der Fortschritt und 
die Verbreitung des Wissens giebt uns unsre Künste, unsre Wissen- 
schaften, unsre Fabriken, unsre Gesetze, unsre Ueberzeugungen, 
unsre Sitten, unsre Bequemlichkeiten, unsern Luxus, unsere Civili- 
sation, kurz Alles, was uns über die Wilden erhebt, die durch ihre 
Unwissenheit auf eine Stufe mit den Thieren heruntersinken, mit 
denen sie in der Wildniss umhcrziehen? S0 ist denn ohne Zweifel 
jetzt die Zeit gekommen, WO die Männer, die es unternehmen, die 
Geschichte einer grossen Nation zu schreiben, sich mit den Gegen- 
ständen beschäftigen sollten, die einzig und allein das Schicksal 
der Menschen bestimmen; sie sollten die geringfügigen und unbe- 
deutenden Details, durch die sie uns so lange ermüdet haben, auf- 
geben, Details über das Leben der Könige, die Intriguen der Minister, 
die Laster und das Geklätsch der Höfe. 
Gerade diese höheren Rüeksichten geben uns den Schlüssel 
zu der Geschichte der Regierung Ludwigs XIV. In jener Zeit, 
und überhaupt in allen Zeiten folgte das Elend des Volks und die 
Erniedrigung des Landes dem Sinken des nationalen Geistes, 
während dieser seinerseits das Resultat des bevormundenden Geistes 
war, jenes schädlichen Geistes, der alles schwächt, was er berührt. 
Wenn in dem langen Lauf der Geschichte irgend etwas klar ist, 
so ist es dies, dass wo n1u' eine Regierung die Beschützung der 
geistigen Arbeiten unternimmt, sie diese fast immer am unrechten 
Ort beschützen und die unrichtigen Leute belohnen wird; und man 
darf sich nicht wundern, dass dies der Fall ist. Was können 
Könige und Minister von jenen unermesslichen Wissenszweigen 
Verstehen, deren erfolgreicher Anbau oft das Werk eines ganzen 
Lebens ist? Wie können sie, die immer von ihren vornehmen 
Beschäftigungen in Anspruch genommen sind, Zeit für so unter- 
geordnete Dinge linden? Kann man erwarten, dass sich solche
	        
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