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Geist unter Ludwig XIV.
Bevormundender
letztes erschien 1652; er selbst starb 1657.32) Dann trat eine
Pause ein und drei Generationen hindurch leisteten die Franzosen
in diesen grossen Wissenszweigen gar nichts; schrieben kein Buch,
das noch gelesen wird, machten keine Entdeckungen, und schienen
allen Muth verloren zu haben, bis zu jener Wiederbelebung der
Wissenschaften, welche in Frankreich, wie Wir gleich sehen wer-
den, um die Mitte des 18. Jahrhunderts eintrat. In den praktischen
Theilen der Medicin, in ihren speculativen Theilen und in Allem,
was mit der Chirurgie zusammenhängt, herrscht das nämliche
Gesetz. Die Franzosen hatten in diesen und andern Materien
früher Männer von grosser läedeutung hervorgebracht, die sich
einen Europäischen Ruf erworben hatten, und deren Werke noch
in gutem Andenken sind. So, um nur zwei oder drei Beispiele
zu geben, hatten sie eine lange Reihe berühmter Aerzte, unter
denen Blernel und Joubert die frühesten waren; 33) sie hatten in
der Chirurgie Ambroise Pare, der nicht nur wichtige praktische
Verbesserungen einführte,34) sondern der das noch seltenere Ver-
dienst hat, ein Begründer der vergleichenden Osteologie zu seinfä)
und sie hatten Baillou, der am Ende des 16. und im Anfange des
17. Jahrhunderts Fortschritte in der Pathologie machte, indem er
sie mit dem Studium der pathologischen Anatomie verbandß")
Unter Ludwig XIV. änderte sich dies Alles; unter ihm wurde die
Chirurgie vernachlässigt, obgleich sie in andern Ländern reisscnde
39) Bioyr. univ. XXXVIII, 123, 124.
33) Einige von den grossen Schritten, die Joubert that, sind genau angegeben in
Braussais, Examen des doctrines mädicales I, 293, 294, III, 361; Spranyel, Hist. de
la mädecine III, 210. Fernel wird zwar begeistert von Patin gepriesen, kam aber
Joubert wahrscheinlich nicht gleich. Lettres de Patin III, 59, 199, 648. Seite 106
nennt Patin Fernel „Ze premier mäolecin de son tmnps, et peut-ätre le plus gmnd 'qm'
sem jwmais."
34) Finden sich aufgezählt in Sprengel, Hist. de Za Inäd. III, 405, 406, VII, 14,
l5. Sir B. Brodie, Lectures on surgerie, 21, sagt: "wenig grössere Wohlthaten sind
der Menschheit erzeigt worden, als die, welche wir Ambroise Pare verdanken, die An-
legnng des Verbandes blutender Arterien."
35) "Cäzmit lä um vue träs ingeniezase et träs jkeste qzüAmbroise Parä donnaz"!
1mm" la premiäre fois. C'e'tait 1m commemement zfostäolayie comparäe." Ouvier, Hist.
des scienoes II, 42. Ich füge hinzu, dass er der erste Französische Schriftsteller über
medicinische Jurisprudenz ist. Siehe Paris und Fonblanqurfs Medical Jürisprudence,
1, p. xvIII.
36) "l'un des premiera auteurs ä qui l'on doit des observutrions cadmveriques sm-
les maladies, est le faxmeua: Baillou." Broussais, Examen des doctrines mädicales, II,
218, III, 352: Ränauwvd, Hist. de la mäzlacine II, 89; Plailzßs, On scropkula 16.