Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 2)

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unter 
Bevormundender Geist 
Lu dwig 
XIV. 
blieben. Diese Vorstellungen zu verstärken, und sie in alle Ver- 
hältnisse des Lebens hineinzutragen, war der grosse Zweck Lud- 
wig's XIV.; und dies gelang ihm vollkommen. Dadurch wird die 
Geschichte seiner Regierung höchst lehrreich, denn wir sehen in 
ihr das merkwürdigste Beispiel von Despotismus, das jemals vor- 
gekommen ist, einen_Despotismus von der ausgedehntesten und 
umfassendsten Art, einen öQjährigen Despotismus über das civili- 
sirteste Volk in Europa, welches das Joch nicht nur ohne Murren 
trug, sondern sich ihm mit Heiterkeit, ja mit Dankbarkeit gegen 
den unterwarf, der es ihm auferlegt hatte. i) 
Was dies noch befremdender macht, ist, dass die Regierung 
Ludwigs XIV. vollständig verurtheilt werden muss, wenn man sie 
auch nur mit dem niedrigsten llrlaassstabe von Sittlichkeit, Ehre 
oder Interesse misst. Eine rohe, ungezügelte Lüderlichkeit, welcher 
der gemeinste kriechendste Aberglaube folgte, charakterisirten sein 
Privatleben, während. er in seiner öffentlichen Laufbahn eine An- 
massung und eine systematische Treulosigkeit entwickelte, welche 
zuletzt den Zorn ganz Europafs aufregten, und Frankreich eine 
scharfe und merkliche Züchtigung zuzogen. In seiner innern Poli- 
tik verband er sich auf's genaueste mit der Kirche und obgleich 
er dem Ansehen des Papstes Widerstand leistete, liess er doch 
seine Unterthanen willig von der Tyrannei des Klerus unter- 
drücken. 2) Ihm überliess er Alles bis auf die Ausübung seiner 
4) Ueber die schimpiliche Unterthänigkcit der ausgczeiehnetsten Schriftsteller siehe 
Capqßyzzds Louis XIV, I, 41, 42, "llß; und über die Gesinnung des Volks Le Vassor, 
der zu Ende der Regierung Ludwigk: XIV. schrieb, IIist. de Louis XIII, VI; 670. 
Er sagt bitter: Uvnais les Frangais, accoutumäs ä Pesclavagc, ne senlent plus la pescn- 
ieur de lem-s chaines." Fremde waren ebenso erstaunt über die allgemeine und noch 
mehr über die gutwillige Unterthänigkeit und sklavische Gesinnung. Lord Shaftesbury 
giebt in einem Brief vom Febr. 1704-5 eine feurige Lobrede auf die Freiheit, fügt 
aber hinzu: In Frankreich wird man dies kaum verstehen; denn erscheint auch hier 
und da ein Blitz von Freiheit, bis jetzt habe ich noch keinen einzigen Franzosen 
kennen gelernt, der ein freier Mann wer." Forsterü: Original letters of Locke, Sidizey 
und Shaftesbzary, 1830, 205. In demselben Jahr macht De Foe eine ähnliche Bemer- 
kung über den Französischen Adel. Wilsonls Lzfa qf De Foe II, 209; und 1699 
schreibt Addison einen Brief von Blois, welcher die Erniedrigung der Franzosen schla- 
gend darthut. Ailciafs Lzfe qf Addison, I, 80. Vergl. Bametlv Own iime IV, 365, 
"über die grobe Ausschweifung in der Schmeichelei, zu der es die Franzosen, weit 
über die Beispiele früherer Zeiten, gegen ihren König gebracht haben." 
i) Die Bedingungen mieses Vertrags zwischen der Kirche und der Krone sind 
richtig dargestellt in Ranke, Päpste III, 168: "Wir sehen, die beiden Gewalten
	        
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