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Die
bevormundenden
Kraft des
Geistes
Tendenz aufgehoben wurde, welche selbst mitten im Kampfe ihre
Gewohnheiten der Unterwürtigkeit lebendig erhielt. S0 kam es,
dass trotz des fortgesetzten Krieges das Volk immer seine Neigung
behielt, zu dem Adel, und der Adel zu der Krone emporzublicken.
Beide Stande verliessen sich auf das, was sie unmittelbar über sich
sahen; das Volk glaubte, ohne die Adeligen gäbe es keine Rettung,
und die Adeligen glaubten, ohne die Krone gäbe es keine Ehre.
In dem Falle der Adeligen kann man diese Meinung kaum tadeln;
denn da ihre Auszeichnungen von der Krone ausgehen, so haben
sie ein directes Interesse, die alte Vorstellung aufrecht zu erhalten,
der Fürst sei die Quelle der Ehre. Sie haben ein directes Inter-
esse an der verkehrten Lehre, nach welcher die wahre Quelle der
Ehre übersehen, und unsere Aufmerksamkeit auf eine eingebildete
Quelle gerichtet wird, durch deren Wirkung, wie man glaubt, in
einem Augenblick und auf den blossen Willen eines Fürsten die
höchsten Ehren auch dem Niedrigsten ertheilt werden können. Dies
ist in der That nur ein Theil des alten Systems, Auszeichnungen
zu schaffen, wozu die Natur keine Vollmacht gegeben hat, dem
wahren Vorzug einen conventionellen unterzuschieben, und so den
Versuch zu machen, kleine Geister über das Maass der grossen zu
erheben. Das völlige Fehlschlagen, und mit dem Fortschreiten der
Gesellschaft das endliche Aufhören aller dieser Versuche ist gewiss;
aber es ist einleuchtend, so lange der Versuch gemacht wird, müs-
sen diejenigen, welche den Nutzen davon haben, jene andern, von
denen der Versuch ausgeht, zu schätzen geneigt sein. Wenn nicht
Umstände entgegenwirken und- es verhindern, so muss zwischen
beiden Theilcn jene Zuneigung herrschen, welche durch das An-
denken früherer Gunstbezeigungen und durch die Hoffnung auf
künftige erzeugt wird. In Frankreich wurde dieses natürliche Ge-
fühl durch den bevormundenden Geist gestärkt, Welcher die Men-
schen bewog, sich an die anzuschliessen, die über ihnen standen,
und es ist nicht auffallend, dass die Adeligen selbst mitten in den
Unruhen nach der geringsten Gunst der Krone mit einer Gier
haschten, von der wir so eben einige Beispiele gegeben haben.
Sie waren so lange daran gewöhnt gewesen, zu dem Fürsten, als
dem Quelle ihrer Würde empor zu schauen, dass sie an irgend
eine geheime Würde selbst in seinen gemeinsten Handlungen
glaubten; so dass es nach ihren Begriffen eine Angelegenheit von
der grössten Wichtigkeit war, wer von ihnen ihm die Serviette
überreichen, wer ihm das Waschbecken halten, und wer ihm das