des Franz.
Geschichte
Geistes
bei jeder Bewegung etwas von seinem Eintlusse verlor. In Frank-
reich hingegen war die Geistlichkeit so mächtig, dass sie der
Reformation Widerstand leisten und die ausschliesslichen Privilegien
retten konnte, welche der Englische Klerus vergebens zu behaupten
suchte.
Dies war der Anfang der zweiten auffallenden Verschiedenheit
der Englischen und Französischen Civilisation, i) die zwar in einer
weit früheren Periode ihren Ursprung nimmt, jetzt aber zum ersten
Mal sichtbare Folgen hat. Beide Länder hatten in ihrer Kindheit
grosse Wohlthaten von der Kirche genossen, die sich immer bereit
zeigte, das Volk gegen die Unterdrückungen der Krone und des
Adels zu schützenß) Mit dem Fortschritt der Gesellschaft jedoch
entstand auch in beiden Ländern die Möglichkeit für die Leute,
sich selbst zu beschützen, und im Anfange des 16. Jahrhunderts,
wahrscheinlich sogar schon im l5ten, wurde es dringend nöthig,
die geistliche Autorität zu vermindern, weil sie das Denken der
Menschen durch Vorurtheile einnahm und so die Entwicklung der
Wissenschaft hinderte. 5) Aus diesem Grunde ist der Protestantis-
mus weit davon entfernt, eine Verirrung zu sein, die aus zufälligen
Ursachen entsprang, wie seine Feinde gesagt haben, und vielmehr
eine wesentlich normale Bewegung, die nichts Geringeres ist, als
der wohlberechtigte Ausdruck der Bedürfnisse des Europäischen
Geistes. Die Reformation verdankte ihren Erfolg nicht einem Ver-
langen, die Kirche zu reinigen, sondern einem Wunsche, ihren
Druck zu erleichtern; und man darf ohne Weiteres sagen, sie
wurde in jedem civilisirten Lande angenommen, wo nicht vorher-
3) Die erste Abweichung entsprang aus dem Einiiuss des bevormundendcn Geistes,
wie ich im nächsten Kapitel zu zeigen versuche.
4) Ueber die Verpüichtungen Eurobafs gegen den katholischen Klerus siehe einige
freie und sehr gerechte Bemerkungen in Kevnbleäs Saxons in England II, 374, 375;
und in Guizotis Oivilisation m France; Neand. Hist. of the clmrch III, 199-206,
255-257, V, 138, VI, 406, 407; PalgraveÄfAnglo-Suxon ccnnvßzomoealtla I, 655;
LmgardÜs Hist. of England II, 44; Klimratlo, Zäwwaux aur Phist. du droit I, 394;
Carwitheafs Hist. of tlw ckurah of England I, 157.
5.) Wie dies wirkte, hören wir sehr bestimmt von Tennemann: "Wenn sich mm
auch ein freierer Geist der Forschung regte, so fand er sich gleich durch zwei Grund-
sätze, welche aus jenem Supremat der Theologie flossen, beengt und gehemmt. Der
erste war: die menschliche Vernunft kann nicht über die Offenbarung hinaus gehen...
Der zweite: die Vernunft kann nichts als wahr erkennen, was dem lnhalte der Offen-
barung widerspricht, und nichts für falsch, was derselben angemessen ist, folgte
aus dem ersten." Gesch. der Phil. VIII, Th. I, S.