in Frankreich und England.
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friihnen, wodurch er sich als Stand immer ausgezeichnet hat. Da
dies ein Gebiet der Geschichte ist, welches wenig studirt worden,
so wird es interessant sein, einige Beispiele zu sammeln, um durch
sie die Gemüthsverfassung der Französischen Aristokratie zu be-
leuchten, und zu zeigen, um welche Ehren und Auszeichnungen
dieser mächtige Stand sich so sehr beeiferte.
Dass die Gegenstände, die man vornehmlich suchte, sehr gering.
fügiger Art waren, wird Jeder leicht vermuthen, der die Wirkung
beobachtet hat, die in der grossen Mehrzahl der Gemüther erbliche
Auszeichnungen auf den persönlichen Charakter hervorbringen. Wie
verderblich solche Auszeichnungen sind, kann man in der Ge-
schichte aller Europäischen Aristokratieen deutlich wahrnehmen und
an der allbekannten Thatsache, dass in keiner von ihnen sich auch
nur ein mittelmässiger Grad von Talent erhalten hat, ausser in
den Ländern, wo sie häufig durch neues plebejisehes Blut gestärkt
werden, und wo ihr Stand aus dem Hinzutritt jener männlichen
Energie neue Kräfte zieht, welche denen, die sich ihre eigne Stel-
lung bereiten, so natürlich ist, aber bei Leuten nicht erwartet
werden kann, denen ihre Stellung schon zubereitet ist.
Denn sobald sich der Gedanke im Gemütlfe festgesetzt hat,
dass die Quelle der Ehre von aussen, nicht von innen entspringt,
wird allemal die äusserliche Auszeichnung dem Gefühl innerer
Kraft vorgezogen werden. Alsdann erscheinen die Majestät des
menschlichen Geistes und die Würde des menschlichen Wissens den
Scheinstufen und den falschen Erhöhungen untergeordnet, wonach
schwache Menschen die Stufen ihrer Kleinheit abmessen. Daher
kommt es dann, dass die wahre Lage der Dinge ganz und gar
verkehrt, und das Nichtige höher geschätzt wird, als das Grosse;
und so wird der Geist entnervt, indem er sich einem falschen
Maassstabe anbequemt, den sein eignes Vorurtheil geschaffen.
Darum sind aber auch die offenbar im Irrthum, welche dem Adel
seinen Stolz vorwerfen, als wenn das ein Charakterzug seines
Standes wäre! Die Wahrheit ist vielmehr, dass er rasch erlöschen
würde, wenn nur einmal der Stolz bei ihm aufkäme. Von Adels-
nouveautä." Mainz." de Rachdoucauld I, 406. Ebenso Lemoniey, lötablissenzent de
Louis XI V. 368: Hla vieille Noblesse, qm ne scwait gue cambaltre, faisait Zu guem-e
pur goül, pur besoin, pwr vaniiä, pur cmmi." Vergl. in Meän. dThner Talon I1, 467,
468 eine Aufzählung der Ursachen, welche 1649 den Adel zum Kriege bewogen, und
wie die Herrn Junker durch ihre Frivolität die Fronde herunterbrachten, darüber siehe
Lruuzlläe, Hisf. des Fwmgais III, 169, 170.
Buckle, Gesch. d. (Zivilisation. I. 2. 10