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Geistes
des bevormundeuden
Geschichte
die Adeligen zu demüthigen. Ihre Hand fiel schwer auf sie und
es giebt kaum ein Beispiel, dass sie ihnen ihre Vergehen verziehen
hätte, während sie manche von ihnen für Handlungen bestrafte, die
man jetzt gar nicht als Vergehen betrachten wurde. Sie war immer
abgeneigt, sie zu Ansehen kommen zu lassen und es ist ohne Frage
wahr, dass sie während ihrer langen und glücklichen Regierung
als Stand mit ungewöhnlicher Missachtung behandelt wurden. AJa,
ihre Politik war so klar ausgesprochen, dass sie den herzoglichen
Rang, als er ausgestorben war, nicht wieder herstellen wollte; und
einer ganzen Generation blieb der Name eines Herzogs eine Sache,
die der Geschichte angehörte, ein Gegenstand für Alterthümler,
womit man aber im wirklichen Leben nichts mehr zu thun hatteß")
Was auch sonst ihre Fehler sein mögen, in diesem Punkte blieb
sie immer sich selbst gleich. Sie war eifrig bemüht, den Thron
mit talentvollen Männern zu umgeben, aber sie kümmerte sich sehr
wenig um die conventionellen Auszeichnungen, die auf die Gemü-
ther gewöhnlichefKönige so grossen Eindruck machen. Sie gab
nichts auf Würde und Rang, nicht einmal auf die Reinheit des
Bluts. Sie schätzte die Leute weder wegen des Glanzes ihrer Vor-
fahren, noch wegen der Länge ihres Stammbaums, noch wegen des
Pomps ihrer Titel. Diese Fragen überliess sie ihren entarteten
Nachfolgern, deren geringem Verstande sie auf's vortreffliehste ent-
sprachen. Unsere grosse Königin richtete ihr Betragen nach einem
andern Maassstabe ein. Ihr grosser und mächtiger Geist, der durch
Nachdenken und Studium im höchsten Grade gebildet war, lehrte
sie das wahre Maass der Staatsgesehäfte und befähigte sie zu der
Einsicht, dass zur Blüthe einer Regierung Männer von Geist und
Tugend als Rathe der Krone nothwendig sind, dass aber, wenn
diese beiden Bedingungen erfüllt sind, die Adeligen dem Genüsse
ihrer Musse ruhig überlassen bleiben mögen, frei von dem Druck
der Sorgen für die Staatsgesehäfte, wofür sie mit Wenigen glänzen-
den Ausnahmen durch ihre vielen Vorurtheile und durch ihre nich-
tigen Beschäftigungen von Natur nicht geeignet sind.
s") 1572 erlosch der Stand der Herzöge, und wurde erst 50 Jahr Später wieder
ins Leben gerufen, als Jacob I. denelenden Villiers zum Herzog von Buckingham
machte. Blackstonds Oovzzmentarics 1, 397. Dies erregte oifenbar Aufmerksamkeit;
denn Ben Jonson spricht in einer seiner Komödien 1616 von "der anerkannten Ketzerei,
dass England keine Herzöge dulde." Jonsorfs Werks, ed. Gzforvl, 1316, V, 47, wo
Giifoxd, der das Erlöschen des Titels von 1572 übersieht, eine unpassende Anmerk.
macht.