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Geschichte
des bevormundemlen
Geistes
des wirklichen Lebens wird ihre Eitelkeit oft durch die Anmassung
untergeordneter Leute verletzt, und oft durch den glücklichen Wett-
eifer talentvoller Männer verwundet. Und diesen Kränkungen sehen
sie sich beim Fortschritt der Gesellschaft immer mehr ausgesetzt.
Aber sobald sie sich zu der Vergangenheit zurückwenden, erblicken
sie in der guten alten Zeit, die jetzt dahin ist, manche Quellen des
Trostes. Da finden sie einen Zeitabschnitt, wo ihr Ruhm ohne
Nebenbuhler ist, und wenn sie auf ihren Stammbaum, ihre Wappen
und ihre Embleme sehen, wenn sie an die Reinheit ihres Blutes,
an die lange Reihe ihrer Ahnen denken, empfinden sie einen Trost,
der ihnen ihre gegenwärtigen Unbequemlichkeiten hinlänglich ver-
süssen sollte. Diese Richtung liegt auf der Hand, und ist bei allen
Aristokratieen, welche die Welt bis jetzt gesehen hat, hervorgetreten.
Leute, die sich zu solcher ausschweifenden Höhe hinaufgearbeitet
haben, dass sie es für eine Ehre halten, einen Vorfahren zu haben,
der mit den Normannen her-überkam, und einen andern, der bei der
ersten Landung in Irland zugegen war, Leute, die sich zu diesem
phantastischen Wahnwitz aufgeschwungen haben, sind nicht ge-
neigt, dabei stehen zu bleiben, sondern sie erweitern ihre Ansicht
durch einen Vorgang, womit die meisten Gemüther vertraut sind,
zu einer allgemeinen, und verbinden selbst in Dingen, die unmittel-
bar mit "ihrem Ruhme nichts zu thun haben, den Gedanken der
Grossartigkeit mit dem Alterthum, und gewöhnen sich daran, den
Werth der Dinge nach dem Alter abzumessen; so übertragen sie
Weine Bewunderung auf die Vergangenheit, die sie sich sonst viel-
leicht für die Gegenwart gespart hätten.
Der Zusammenhang dieser Gesinnung mit der, die den Klerus
beseelt, ist einleuchtend. Was der Adel in der Politik, das ist die
Priesterschaft in der Religion. Beide Stände berufen sich immer
auf die Stimme des Alterthums, verlassen sich hauptsächlich auf
die Ueberlieferung und geben viel darauf, das Bestehende und seine
Sitten zu erhalten. Beide halten es für ausgemacht, dass das Alte
besser ist als das Neue, und dass es in frühern Zeiten Mittel gab,
hinsichtlich der Regierung sowohl als der Theologie Wahrheiten zu
entdecken, welche wir in unsrer entarteten Zeit nicht länger be-
sitzen. Und wir dürfen hinzufügen, die Aehnlichkeit ihrer Bestre-
bungen folgt aus der Aehnlichkeit ihrer Prinzipien. Beide sind in
hohem Grade bevormundend, stationär, oder wie sie auch genannt
werden, conservativ. Man glaubt, die Aristokratie beschütze den
Staat gegen Revolution und die Geistlichkeit die Kirche gegen