und
England
Frankreich.
117
die in dieser Hinsicht gethan wurden, möchte ich die Aufmerksam-
keit auf einen andern Punkt lenken, um noch ein Beispiel zu der
frühen und radikalen Verschiedenheit Englands und Frankreichs
zu geben.
Im 11. Jahrhundert entstand das berühmte Ritterwesen, 55)
welches das für die Sitten war, was das Lehnswesen für die Politik.
Dies Verhältniss ergiebt sich nicht nur aus dem Zeugniss der Zeit-
genossen, sondern auch aus zwei allgemeinen Betrachtungen. Zuerst,
das Ritterthum war so entschieden aristokratisch, dass Niemand
ein Ritter werden konnte, der nicht von adeliger Geburt warfß)
und die vorhergegangene Erziehung, die man dazu für nothwendig
hielt, wurde entweder in Schulen, welche der Adel eingerichtet
hatte, oder auf seinen Schlössern ertheiltß") Zweitens, es war
wesentlich eine Schutzeinrichtung und durchaus nicht eine refor-
matorische. Es wurde mit der Absicht eingerichtet, gewissen Unter-
drückungcn, die nach und nach entstanden, abzuhelfen, und hierin
dem reformatorischen Geiste entgegengesetzt, der keine Palliativen
sondern wirkliche Heilmittel sucht, und das Uebel dadurch bei der
Wurzel erfasst, dass er den Stand demüthigt, von dem das Uebel
herrührt, und einzelne Fälle übergeht, um seine Aufmerksamkeit
auf allgemeine Ursachen zu richten. Das Ritterthum aber war weit
davon entfernt, dies zu thun, und in Wahrheit eine Mischung ari-
stokratischer und geistlicher Formen im" bevormundenden Geiste. 53)
55) "Des la jin du XIme sieele, a Fäpoque möme au eommencerent las croisades, on
trenne la clzevalerirfätablie." Koch, Tablean des rävolutions I, 143. Sainte-Palaye,
Mem. sur Zu clwvalerie I, 42, 68. Gnizot, Oivilis. an Franee, III, 349-54 hat ver-
sucht, es auf eine frühere Zeit zurückzuführen, scheint aber damit gescheitert zu sein,
obgleich natürlich seine Keime leicht aufzufinden sind. Nach einigen Schriftstellern
entsprang es im Norden Europafs, nach andern in Arabien! Mallefs Northern anti-
quitics 202; Journal of Asiut. Soe. II, 11.
56) "Dordre de chevalerie nüftoit accordä qu'une: hmnmes d'un sang noble." Sis-
mondi, Hist. des Frangais IV, 204. Vergl. Daniel, Hist. de la oniliee, I, 07, und
Mills" Hist. of ekivalry, I, '20.
57) „An manchen Orten gab es Schulen, die der Adel des Landes eingerichtet
hatte, aber am liäungsten bedienten sie sich ihrer eignen Schlösser." Millf Hist. of
chinalry I, 31. Sainte-Palaye, Mem. sur Paneienne elzevalerie I, 30, .56, 57, über
diese Erziehung.
58) Diese Verbindung des Ritterthums und der religiösen Gebräuche wird oft den
Kreuzzügen zugeschrieben, aber es ist guter Gnmd vorhanden, dass sie etwas früher
eingetreten und zu der letzten Hälfte des 11. Jahrhunderts zurückgeführt werden muss.
Millä Hist. of elzivalry I, 10, 11; Daniel, Hist. de la milice I, 101, 102, 108; Bou-
lainvilliers, Anoicn gomz. I, 326; Sainte-Palaye, Mainz. sur la chevalerie I, 119-123,