Frankreich.
England und
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Privatkriegs; nach diesem konnten sich die Adeligen einander an-
greifen, und in der Verfolgung ihrer Privatfehden den Frieden des
Landes stören. In England war die Aristokratie nie so stark, dass
sie dies als ein Recht hatte beanspruchen können f") obgleich sie
es nur zu oft thatsächlich ausübte. In Frankreich aber gehörte
es zu dem positiven Recht; es wurde in die Statutenbücher des
Feudalismus aufgenommen, und ausdrücklich anerkannt von Lud-
Wig IX. und Philipp dem Schönen, zwei Königen von nicht ge-
ringer Energie, die alles thaten, was in ihrer Macht stand, um das
über-massige Ansehen des Adels zu verringern. '13)
Aus diesem Unterschiede der aristokratischen Macht Frank-
reichs und Englands ergaben sich manche Folgen von der grössten
Wichtigkeit. Bei uns war der Adel zu schwach, um gegen die
Krone zu kämpfen, und folglich gezwungen, sich zu seiner Selbst-
vertheidigung mit dem Volke zu verbinden. 24) Etwa 100 Jahre
nach der Eroberung vermischten sich die Normanner und die Sach-
sen, und vereinigten sich beide Theile zur Aufrechterhaltung ihrer
gemeinsamen Rechte. 25) Die Magna Charta, welche Johann zuge-
m) Hallamäs Supplemeaztul mies 304, 305.
'23) "Samt-Louis consacra Za droit de guewß Philippe lc Bel, qm voulut
Pabolir, jinit 10m" Z0 rätublir." Montlosicr , Monarchie frangaisc I, 127 , 202; siehe
auch 434, 435 und II, 435, 436. Mably, Observ. II, 338 erwähnt letlres-patentes de
Philippe de Valois du 8. fäwrier 1330, pour permettre d'une le ducluf dÄAquitaine las
guerres priväes" 4210.; und fügt hinzu „le .9. rwril 1353 le rar." Jean a-mauvelle l'or-
donnanoe de S. Louis, nommäe Za quurantaine du roz", touohant Zes yuerres priväes."
'14) Sir Fraucis Palgrave in seinem Riss und progress of ilze, English common
wealth I, 51-55 hat versucht, die Felgen der Normännischen Eroberung anzugeben,
aber lässt diese unerwähnt, die doch die wichtigste von allen war.
'15) Ueber diese politische Verbindung Normännischer Barone mit Sächsischen
Bürgern, die zuerst am Ende des 12. Jahrhunderts deutlich hervortritt, vergl. Camp-
belFs Clmncellors I, 113 mit Brouglaamis Polit. plzilos. I, 339, II, 222.
Ueber die allgemeineFi-age, wie sich die Stämme vermischt, haben wir dreierlei
Nachrichten; erstens: Gegen das Ende des 12. Jahrhunderts begann die Bildung einer
neuen Sprache durch die Mischung des Normännisehen mit dem Sächsischen, und die
eigentliche Englische Literatur schreibt sich vom Anfange des 13. Jahrhunderts her.
Vergl. Maddenäv prqfaw to Layamon 1847 , I, p. XX, XXl, mit Turnerk History of
England VIII, 214, 218, 436, 437. I
Zweitens: Wir haben den bestimmten Ausspruch eines Schriftstenßrs m15 der
Regierungszeit Heinrich's 11.: „sz'c permixtaß sunt natidnes ut vix dissemi possit Iwdie,
de liberis laquor, quis Anylious, quis Normannus sit genere." Anmerkung in Hallamüv
Middle ages II, iÜß-
Drittens: Vor dem Ende des 13. Jahrhunderts bemerkte man den Unterschied in
der Tracht nicht mehr, der auf jener Stufe der Gesellschaft manche andere Unter-