England
und
Frankreich.
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hunderts im Zusammenhange, deren Erfolg hauptsächlich von dem
geschwächten Prinzip der Bevormundung, das ihm entgegenstand,
abhing. Dies jedoch behalte ich mir für später vor, und will jetzt
nur einige Verhältnisse hervorheben, die der Aristokratie in Frank-
reich mehr Macht gaben als in England und so die Franzosen an
einen genaueren und dauernderen Gehorsam gewohnten, ihnen also
mehr den Geist der Unterwiirfigkeit einiiössten, als wir es in un-
serem Vaterlande gewohnt waren.
Gleich nach der Mitte des 11. Jahrhunderts, also in der Zeit,
wo die Aristokratie in ihrer Bildung begriffen war, ward England
von dem Herzog der Normandie erobert, und er führte natürlich
die Verfassung ein, die in seiner Heimath bestandß?) Unter seinen
Händen erlitt sie aber eine Umwandlung, wie sie den neuen Ver-
hältnissen, worin er sich befand, angemessen war. Er sah sich in
einem fremden Lande als Anführer einer siegreichen Armee, die
zum Theil aus Söldner-n 13) bestand, und konnterso mancher feu-
dalen Gebräuche entrathen, die in Frankreich herkömmlich Waren.
Die grossen Normannischen Lords, als Fremdlinge mitten in eine
feindliche Bevölkerung hineingeworfen, nahmen fast unter jeder
Bedingung, die ihnen ihre eigne Sicherheit gewährte, mit Vergnügen
die Güter von der Krone an. Dies machte sich Wilhelm natürlich
zu Nutze, denn indem er Herrschaften unter günstigen Bedingungen
für die Krone austheilte, hinderte er die Freiherrn 14) sich eine
Gewalt anzueignen, wie sie sie in Frankreich ausgeübt und welche
sie ausserdern auch in England ausgeübt haben würden. Die Folge
war, dass unsere mächtigsten Edelleute unter die Macht des Ge-
n) Wo sie in besonderer Blüthe stand: "Zu fäodaliiä fut organisäe an Normandie
plus fortement et plus systematiquement que partout aillezars en France." Klianmtk,
Travaux sur Pkist. du droii I, 130. Das "coutume de Normandie" konnte viel später
nur in dem "grand coutumier" gefunden werden." Klinzrath II, 160. Ueber die
eigenthiimliehe Hartnäckigkeit, womit die Normannen daran hingen, siehe Letirßs
dbiquesseau II, 225, 226: "accoutuonäs ä respecter leur aouimne oomme Pävangile."
43) Mills" Hist. of chimalry I, 387; Turner-Ä; Hist. of England II, 390, VI, 76.
Auch von seinen unmittelbaren Nachfolgern wurden Söldner angewendet. Grosels
Military mztiq. I, 55.
44) Ueber die verschiedenen Bedeutungen des Wortes "Baron" vergl. Klinzratlz,
Hist. du droit II, 40 mit Meyer, Inst. 114d. I, 105. Aber GIIiZOt sagt, was sehr
wahrscheinlich ist: „z'l est probable, que ce nom fui commmz origma-irement ä tous les
vassaui immädiats de la ßvuromzc, liäs au a-oi, per scrvitizzm nziliiare, pur le sorvicv
de cheualierß Essais, 265.