Neuntes
Kapitel.
Geschichte
des
bevormundenden Geistes oder des Schutzsystems,
Frankreichs mit England in der Hinsicht.
und
Vergleichung
Als gegen das Ende des fünften Jahrhunderts das Römische
Reich znsammenbrach, folgte, wie allbekannt ist, eine lange Pe-
riode der Unwissenheit und des Verbrechens, in der auch die aus-
gezeichnetsten Geister in dem gröbsten Aberglauben untergingen.
Während dieser Jahrhunderte, die mit Recht die Zeit der Finsterniss
genannt werden, war die Geistlichkeit obenauf; Geistliche beherrsch-
ten die Gewissen der grössten Despoten und wurden als Männer
von ausnehmender Gelehrsamkeit angesehen, weil sie allein lesen
und schreiben konnten, weil sie allein im Besitz jener albernen
Einfälle waren, aus denen die Europäische Wissenschaft damals
bestand, und weil sie die Legenden von den Heiligen und die
Lebensbeschreibungen der Kirchenvater aufbewahrten, aus denen,
wie man glaubte, die Lehren göttlicher Weisheit leicht zu ent-
nehmen wären.
So gross war die Erniedrigung des Europäischen Geistes fast
fünf Jahrhunderte hindurch, und in ihnen erreichte die Leichtgläu-
bigkeit der Menschen eine Höhe, die in den Jahrbüchern der Un-
wissenhcit ohne Beispiel ist. Aber am Ende begann die mensch-
liche Vernunft, jener göttliche Funken, den Selbst die verderbteste
Gesellschaft nicht ausrotten kann, seine Macht zu entfalten, und
den Nebel zu zertheilen, der sie einhüllte. Verschiedene Unlstände,
deren Erörterung hier zu weit führen würde, bewirkten diese Zer-
theilung in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten. Im
Allgemeinen können wir jedoch sagen, dass sie im 10. und 11,
Jahrhundert erfolgte, und dass es im 12. keines von den jetzt
civilisirten Völkern gab, bei dem nicht das Licht angefangen hätte
zu dämmern. Von diesem Punkte aus entsprang die erste Ab-
weichung der Europäischen Völker von einander. Vor dieser Zeit
War ihr Aberglaube so gross und so allgemein, dass es wenig