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Geschichte
Franz.
des
Geistes
können dem Einüuss bedeutenderer Geister nicht gänzlich wider-
stehen, noch immer den unwillkommenen Verdacht vermeiden, dass
wenn das Talent auf der einen Seite, und die Unwissenheit auf
der andern ist, es leicht möglich sei, dass das Talent Recht, und
die Unwissenheit Unrecht habe.
So fiel es in Frankreich aus. Hier wie überall verminderten
sich die Feindseligkeiten, wie die theologischen Ueberzeugungen
schwacher wurden. Früher war die Religion die Ursache von
Kriegen, und auch der Vorwand zu ihrer Führung gewesen. Dann
kam eine Zeit, wo sie aufhörte die Ursache zu sein, aber so lang-
sam ist der Fortschritt der Gesellschaft, dass es nothwendig gefun-
den wurde, sie zum Vorwande zu gebrauchen. Endlich kam
die grosse Zeit der Fronde, wo sie weder Ursach, noch Vorwand
war, 253) und wo man zum erstenmal in Frankreich einen ernst-
liehen Kampf menschlicher Wesen eingestandener Maassen für
menschliche Zwecke sah, einen Krieg, den die Menschen führten,
nicht um ihren Glauben durchzusetzen, "sondern um ihre Freiheit
zu vergrössern. Und als hatte diese Veränderung noch auffallender
gemacht werden sollen, war der bedeutendste Anführer- des Auf-
standes der Cardinal De Retz, ein Mann von grossem Talent, dessen-
Verachtung für seinen Stand aber allgemein bekannt war, 2M) und
Oapefiyuds Richelieu I, 293, und eine merkwürdige Stelle in Jlläm. de Rolum
I, 317 , wo Rohan die Religionskriege, bei denen er unter Riehelielfs Regierung be-
theiligt war, mit den sehr verschiedenen Kriegen, die ein wenig früher in Frankreich
geführt worden waren, zusammenstellt.
263) Oapqßgue, II, 434: nfesprit religieux m: süitait mölä an aucmze maniäre aux
querelles de la Freude." Lenet, der grossen Einüuss bei der sogenannten Partei der
Prinzen hatte, sagt, er hätte es immer vermieden "ü, faire abouter notre pdrii ä um
guewe de röligiaaz." Mäm. de Lemet, I, 319. Sogar das Volk sagte, es sei gleich-
gültig, ob ein Mann als Protestant stürbe oder nicht, aber wenn er ein Anhänger vdn
Mazarin wäre, würde er sicher verdammt. Lrmet I; 434.
264) Ja er" verhehlt dies nicht einmal in seinen Memoiren, er sagt: Mäm. I, 3,_
er hätte "Fäme peut-ätre la anoins eceläsiastique qui füt doms Punivers." Seite 13:
„le olmgrin, que ma profession ne Zaissoit pas de nourrir toujozta-s dem le fonds de
man äme." Seite 21: "je haälssois md profession plus que jämais." Seite 48: "I;
clergä, qui dorme toujours Fexemple de la servitude, la pröohoit am; adtres sous, le titre
efobziissance." Siehe auch die Bemerkung seines vertrauten Freundes Joly, Mäm, de
Joly, 209, edit. Petiiot 1825; und den Bericht, den Tallemant des Räaux giebt, der
De Retz genau kannte und mit ihm gereist wer. Histuriettes VII, 18-30. Dieselbe
Richtung, jedoch in weit geringerem Grade zeigt sich in einer Unterredung, welche
De Retz als Flüchtling 'mit Karl II. hatte, und welche in Olarendmfx Hist. of tlw
rebellion 1806 aufbewahrt werden ist. Sie verdient nur Beachtung als ein Beispiel