Einfluss
der
Naturgesetze.
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damit die ihm gebührende Stellung unmittelbar anerkannt seiß?)
Und als wenn dies noch nicht genug wäre, die Unterordnung III
der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, wurde es ausdrücklich zum
Gesetz gemacht, dass kein Arbeiter Reichthunr erwerben dürfe? Ü)
während eine andre Ülausel erklärte, selbst wenn sein Herr ihm
die Freiheit geben sollte, so bliebe er in Wahrheit doch ein Sklave;
denn," sagt der Gesetzgeber, „durch wen kann er eines Standes,
der ihm natürlich ist, entkleidet werden?" M)
Ja wohl, durch wen könnte er dessen entkleidet werden"? Ich
wüsste nicht, wo die Macht wäre, die ein so grosses Wunder wir-
ken könnte. Denn in Indien war Sklaverei, vcrworfene, ewige
Sklaverei der natürliche Zustand der grossen Masse des Volks; es
war der Zustand, zu welchem sie durch die physischen unwider-
stehlichen Gesetze verdammt wurde. Die Gewalt dieser Gesetze ist
in Wahrheit so unübervvindlich, dass sie allenthalben, wo sie in
Wirksamkeit getreten sind, die productiven Klassen in beständiger
Unterwerfung gehalten haben. Es giebt in der Geschichte kein
Beispiel eines tropischen Landes, in welchem bei ausgedehnter An-
häufung des Reichthums das Volk seinem Schicksal entgangen wäre;
kein Beispiel, wo nicht die Hitze des Klimas einen Ueberfiuss der
Nahrung und dieser Ueberfluss eine ungleiche Vertheilung zuerst
des Reichthums und sodann der politischen und socialen Macht her-
vorgebracht hätte. Bei Nationen, die diesen Bedingungen unter-
worfen waren, hat das Volk nichts gegolten; es hat keine Stimme
in der Verwaltung des Staats, keine Aufsicht über den Reiehthum
gehabt, den sein eigner Fleiss geschaffen. Sein einziges Geschäft
ist gewesen zu arbeiten, seine einzige Pflicht zu gehorchen. So
hat sich bei ihm jene Gewohnheit zahmer knechtischer Unterwerfung
erzeugt, wodurch es, wie die Geschichte uns lehrt, sich immer
charakterisirt. Denn es ist eine unbezweifeltc Thatsache, dass ihre
89) Mm", ch. II, sec. 31, in Jones III, S7 ; auch von Rhodc, Religiöse Bildung II,
551, bemerkt! "Sein Name soll schon Verachtung ausdrücken." EZpILÜIStOWB Hist. of
Ind. 17. Vefgl- Origines du Droit, in Omwes de Miclzelet II, 387, Brux. 1840.
'30) MMW, 0h- X, 129, in Jones III, 401. Auf dies Gesetz verweist Mill Ilisl.
of. Indien 1, 195, 115 einen Beweis für die jammervolle Lage des Volks, welche Wilson
in seiner Anmerkung zu S. 194 vergebens wegzuleug-nen sucht.
91) "Ein Sudra, wenn auch von seinem Herrn freigelassen, wird dadurch seinem
Knechtsstande nicht enthoben; denn durch wen könnte er seines natürlichen Standes
entkleidet werden?" Inst. of Menu, eh. VIII, sec. 414, in den Werks of Sir W. Jones
III, 333.