Hülfsquellen bei der
Geschiehtsfomchung.
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schichte angewendet worden, eben darum keine Anwendung darauf
zulassen. Ja, wenn wir die unaufhörliche Berührung des Menschen
mit der Aussenwelt bedenken, so wird es uns zur Gewissheit, dass
eine innige Verbindung zwischen den Handlungen der Menschen
und den Gesetzen der Natur stattfinden muss; und wenn man daher
die Naturwissenschaft bis jetzt noch ohne Einfluss auf die Ge-
schichte gelassen hat, so ist der Grund davon, dass entweder die
Historiker den Zusammenhang nicht bemerkt haben, oder wenn sie
ihn bemerkt haben, dass es ihnen an der nöthigen Kenntniss ge-
fehlt, um seinen Einfluss nachzuweisen. Dadurch ist eine unnatür-
liche Trennung dieser zwei grossen Wissenszweige entstanden, die
Trennung des Studiums der Innenwelt von dem der Aussenwelt;
und obgleich in dem jetzigen Stande der Europäischen Literatur un-
verkennbare Anzeichen vorhanden sind, dass man diese künstliche
Scheidewand niederzubrechen wünscht, so muss man doch zugeben,
dass bis jetzt für diesen grossen Zweck noch nichts Wesentliches
geschehen ist. Die Plthiker, die Theologen, die Metaphysiker treiben
ihre Studien wie zuvor mit geringer Achtung für die Arbeiten der
Gelehrten, die sie für untergeordneter Art halten; obgleich sie deren
Untersuchungen oft genug angreifen, weil sie dem Gedeihen der
Religion gefährlich waren und uns mit einem ungehörigen Vertrauen
auf die Hülfsquellen des menschlichen Verstandes erfüllten. Auf
der andern Seite sind die Naturforscher im Bewusstsein ihrer Fort
schritte ganz natürlich stolz auf ihre Erfolge; sie vergleichen ihre
Entdeckungen mit dem verhaltnissmassigen Stillstande ihrer Gegner
und lernen Bemühungen verachten, deren Unfruchtbarkeit jetzt all-
gemein anerkannt ist.
Der Historiker: hat zwischen diesen zwei Parteien zu vermitteln
lind ihre feindlichen Ansprüche zu versöhnen, indem er ihnen den
lunkt angiebt, wo ihre Studien sich zu vereinigen haben. Die
Bedmgungen dieser Vereinigung festsetzen, heisst die Grundlage
aller Geschichtsforsehung legen. Denn da die Geschichte mit den
Handlungen der Menschen zu thun hat, ihre Handlungen aber nur
das EYZeQgniSS eines Zusammentrefens innerer und ausserer Erschei-
nflngen Smd, _S0 wird es nöthig, die verhaltnissmässige Wichtigkeit
dleser Ersßhelmlngen zu prüfen, zu untersuchen, wie weit ihre Ge-
setze bekannt sind, und die Hülfsmittel für weitere Entdeckungen
aufzufinden, Welche diesen zwei grossen Klassen, den Naturfor-
schern und den Erforscher-n des Geistes zu Gebote stehn, Dißse
Aufgabe will ich in den nächsten. zwei Kapiteln zu lösen Suchen: