der
Hülfsquellen bei
Geschichtsforschung.
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ein Schluss, der auf umfassenden, einleuchtenden und aller Welt
zugänglichen Beweisen beruht, und also nicht umgestossen, ja nicht
einmal in Zweifel gezogen werden kann durch irgend eine von
den Hypothesen, wodurch Metaphysiker und Theologen bisher das
Studium der Geschichte verwirrt haben.
' Die Leser, welchen es bekannt ist, wie in der Natur die Ge-
setze in ihren Wirkungen beständig gestört werden, erwarten ohne
Zweifel in der sittlichen Welt ähnliche Störungen in Thätigkeit zu
finden. Solche Abweichungen entspringen in beiden Gebieten aus
untergeordneten Gesetzen, die in gewissen Punkten mit den höhe-
ren zusammentreffen und so ihre normale Thatigkeit stören. Davon
giebt die Mechanik ein gutes Beispiel in dem Satz, den sie das
Parallelogramm der Kräfte nennt, wornaeh die Kräfte sich verhal-
ten wie die Diagonale ihrer Parallelogrammef") Dies Gesetz ist
folgenschwer; es hängt mit den wichtigen mechanischen Hülfsmit-
teln der Zusammensetzung und Zerlegung von Kräften zusammen;
und wer die Beweise für dies Gesetz kennt, kann seine Richtigkeit
nicht in Zweifel zielm. So wie wir es aber praktisch anwenden,
finden wir, dass seine Wirkung durch andere Gesetze gestört wird,
wie durch die der Reibung der Luft und der verschiedenen Dich-
tigkeit der Körper je nach ihrer chemischen Zusammensetzung oder,
wie Andere annehmen, nach der Lage ihrer Atome. Durch den
Einiluss dieser Störungen verschwindet die reine und einfache Wir-
kung des-mechanischen Gesetzes. Dennoch bleibt das Gesetz sel-
ber, trotz der unaufhörlichen Störung in seiner Wirkung, unange-
fechten") Ebenso ist das grosse sociale Gesetz, dass die sitt-
M) Diagonale giebt immer den Ausschlag oder die mittlere Kraft an, wenn
jede Seite eine der auf einander wirkenden Kräfte darstellt; und wenn wir die mitt-
lere Kraft als eine zusammengesetzte ansehen, so wird ein Verhältniss von Diagonalen
ßiu zusammengesetztes Verhältniss.
3') Da ein Naturgesetz nur die allgemeine Fassung von Verhältnissen ist und kein
anderes Dasein, als im Geiste hat, so ist es wesentlich übersinnlich; so unbedeutend
daher eiu Gesetz auch sein mag, es leidet nie eine Ausnahme, obgleich Sßiuß Wirkung
uulählige Störungen erfahren mag. Dugald Stewart sagt daher in seiner Pkilosoplty
of {lw mmd, vol. II, p, 211 ganz richtig, "auf die Naturgesetze können wir uns
nur durch eine Art Metapher oder iigürlich beziehen." Dies wird selbst von berühmten
Gelehrten fortdauernd ausser Acht gelassen; einige sprechen von den Gesetzen, als
wären sie Ursachen und daher der Störung durch mäehtigere Ursachen unterworfen;
andere nennen sie von der Guttheit ausgehende Kräfte. Vergl. Proufs Bo-idgewater
trmtise, p. 318, 435, 495; Sadlm": Law of population vol. II, p. 57; Burdaclfs Phy-
siologie I, 160. Paget in seinen Lectures 0M zßwilwloyy I, 481 und II, 542 nennt