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Geschichte des Engl.
Geistes
Es sind diese Gesichtspunkte und das ungewöhnliche Talent,
mit dem sie vertheidigt wurden, wodurch Burke's Erscheinung auf
eine denkwürdige Weise in unsrer politischen Geschichte Epoche
macht. i") Allerdings hatten wir auch vor ihm Staatsmänner,
welche allgemeine Principien in der Politik nicht gelten lassen woll-
ten; aber dies war bei ihnen nichts als pin glückliches Rathen in
ihrer Unwissenheit, und sie verwarfen Theorieen, ohne sich je die
Mühe genommen zu haben, sie zu studiren. Burke verwarf sie,
weil er sie kannte. Es war ein seltenes Verdienst von seiner Seite,
dass er trotz aller Verlockung, sich auf seine allgemeinen Ansich-
ten zu verlassen, dennoch der Versuchung widerstand, und bei
all seinem Reichthum an mannigfaltigen Kenntnissen in der Politik,
dennoch seine Ansichten dem Gange der Ereignisse dienstbar machte;
heit; wir aber kennen den wahren Sitz der Krankheit und wissen, wie wir das Mittel
nach den Regeln der Kunst anwenden müssen. Wie schrecklich wäre es, wenn wir
unsere Kunst zu einer schädlichen kncchtischen Geschicklichkeit herabwiirdigen wollten,
um uns unserer Pflicht zu entziehen und unsere Arbeitgeber, sie die unsere
natürlichen Herren sind, um den Gegenstand ihrer gerechten Er-
wartungen zu betrügen!" Burlcelv Works- I, 254: „In Wahrheit, dem öffent-
lichen Willen zu folgen, nicht ihn zu zwingen; dem allgemeinen Geiste des Gemein-
wesens eine Richtung, eine Form, ein technisches Gewand und eine speciflsche
Anerkennung zu geben, das ist die wahre Absicht der Gesetzgebung." In seinem
Brief T0 tlie Sherzfs of Bristol vom Jahr 1777, Burkds Werks I, 216. In seinem
Leiter on tlze rluraiion qf pztrlianzent, vol. II, 430 sagt er: „Es wäre wirklich schreck-
lich, wenn es irgend eine Gewalt im Volke gäbe, die im Stande wäre, seinem ein-
stimmigen Wunsche Widerstand zu leisten oder auch nur dem Wunsche einer sehr
grossen und entscheidenden Mehrheit des Volks. Das Volk kann sich in der Wahl
seines Zweckes täuschen. Aber ich kann mir kaum irgend eine Wahl vor-
stellen, die so schädlich wäre, als der Bestand einer menschlichen
Gewalt, die Macht genug hätte, sich ihr zu widersetzen." Und so sagt
er vol. I, 125, 214: wenn Regierung und Volk entzweit seien, habe die Regierung
gewöhnlich Unrecht; vergl. l, 217, 218, 276, vol. II, 440. Und 1772 über eine Bill,
die Ein- und Ausfuhr von Korn betrelfend, sagte er: „Bei dieser Gelegenheit gebe ich
dem Vorschlage dieser Bill nach, nicht weil ich die Maassregel billige, sondern weil
ich es für vernünftig halte, dem Zeitgeist nachzugehen. Das Volk will es so; da haben
seine Vertreterinicht nein zu sagen. Aber ich kann nicht umhin, meinen Protest
auszusprechen gegen die allgemeinen Principien, worauf die Bill gegründet ist, da ich
sie für iiusserst gefährlich halte." Parl. bist. XVII, 480.
993) Der Eindruck, den Burke's tiefe Blicke im Unterhause hervor-brachten, wo
sie übrigens nur von Wenigen in ihrer ganzen Ausdehnung verstanden wurden, wird
von Dr. Hay beschrieben, der bei einer seiner grossen Reden zugegen war; "sie schien
eine ganz neue politische Theorie zu sein," sagt er von ihr. Burkäs Oowesp. I, 103.
Vergl. einen Brief von Lee, der in demselben Jahr 1766 geschrieben worden, in
Forstefs Lsfe of Goldemitk II, 38, 39 und in Bunburgfs Oorresp. of Hanmer 458,