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des Engl.
Geschichte
Geistes
ich diese Bemerkung zur Vorsicht vorausgeschickt, Will ich jetzt
versuchen, die bloss in politischer Hinsicht reactionäre und zurück-
schreitende Periode der Englischen Geschichte zu skizziren.
Es muss als ein grosses Glück betrachtet werden, dass nach
dem Tode der Königin AnnaMl) der Thron fast 50 Jahre lang
von zwei Königen eingenommen wurde, die in Sitten und Lands-
mannschaft Fremde waren, von denen der Eine unsere Sprache
nur leidlich sprach, der Andere sie gar nicht kannteß") Die
unmittelbaren Vorgänger Georgs III. waren in der That von einer
so schwerfälligen Geistesverfassung und steckten in einer so tiefen
Unwissenheit über das Volk, dessen Regierung sie übernahmenfu)
dass ungeachtet ihres tyrannischen Temperaments keine Gefahr
vorhanden War, von ihnen eine Partei zur Ausdehnung der Gren-
zen der königliohen Prarogative gestiftet zu sehenßu) Und da
zahl Mitglieder einer Körperschaft heben diese Störungen sich einander auf, und dies
halte ich für den einzigen Grund, dass man mit durchschnittlichen Uebersichten zu
solcher Genauigkeit gelangt. Natürlich ist der Ausdruck launenhaf t genau genom-
men unrichtig und nur eine Maassregel der Unwissenheit.
W) Die zeitweilige politische Rcaction unter Anna ist gut erzählt bei Lord Cowper,
Hist. ofparties, gedruckt im Anhang zu Uampbelläs Ohancellors IV, 411, 412. Dieses
gelehrte Werk Lord OampbelFs ist zwar ungenügend in den ersten Zeiten, aber vor-
züglich werthvoll für die Geschichte des 18. Jahrhunderts.
249) Siehe Reminisoences of the courts of George I und George II, by Horace
Walpole LX, XCIV, und Makowfs Hist. of Engl. I, 100, 235. Georg's II. Fehler
war seine schlechte Aussprache des Englischen, aber Georg I. konnte es nicht einmal
schlecht aussprechen und sich mit seinem Minister Sir Robert Walpole nur auf La-
teinisch verständigen. Der Französische Hof sah dies mit vielem Vergnügen und im
December 1714 schrieb Madame de Maintenon an die Prinzessin Des Ursins (Leitres
inädites de Maintenon III, 157): „Man sagt, dem neuen König von England seien
seine Unterthanen zuwider und er seinen Unterthanen. Möge Gott es bessern!" Ueber
die Wirkung, welche dies auf die Hofsprache hatte, vergl. Le Blanc, Lettres d'un
Frangais I, 159.
243) 1715 schreibt Leslie über Georg I.: "Er ist ein Fremder gegen Euch, völlig
unwissend über Eure Sprache, Eure Gesetze, Sitten und Verfassung." Summ"! Tracts
XIII, 703.
244) Ein grosses Licht ist über den Charakter Georgs II. verbreitet worden durch
die neuerliche Veröffentlichung von Lord Harvey's Memoiren. Dies merkwürdige Buch
bestätigt vollkommen, was wir aus andern Quellen über die Unwissenheit des Königs
in der Englischen Politik wissen. Wirklich bekümmerte er sich um nichts als um
Soldaten und Frauenzimmer und sein höchster Ehrgeiz war, den Ruf eines grossen
Generals mit dem eines glücklichen Wüstlings zu vereinigen. Ausser dem Zeugniss
Lord Hervey's haben wir noch andere, aus denen wir gewiss wissen, dass Georg II.
sowohl verachtet als verhasst war und dass die seinen Charakter beobachtet hatten,