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Geschichte des Engl.
Geistes
Wunderbaren wird verhältnissmässig vermindert, und wenn irgend
"eine Wissenschaft so weit fortgeschritten ist, dass die, welche sie
inne haben, die Ereignisse vorher sagen können, mit denen sie
sich befasst, so sind natürlich alle diese Ereignisse mit einem Male
aller übernatürlichen Einwirkung entzogen und natürlichen Mächten
unterworfenß") Das Geschäit der Naturwissenschaft ist, äussere
Ereignisse mit der Absicht, sie vorherzusagen, zu erklären; und
jede richtige Vorhersagung wird von dem Volke anerkannt und
zerreisst eins von den Gliedern, welche die Einbildung gleichsam
an eine verborgene und unsichtbare Welt knüpfen. Darum muss
unter übrigens gleichen Verhältnissen der Aberglaube eines Volks
immer in genauer Proportion zu der Ausdehnung seiner Natur-
kenntniss stelm. Dies lässt sich bis zu einem gewissen Grade
durch die gewöhnliche Erfahrung des Mensehengeschlechts bestätigen.
Denn wenn wir die verschiedenen Stände der Gesellschaft verglei-
chen, so werden wir iinden, dass sie in dem Maasse abergläubisch
sind, wie die Phänomene, mit denen sie in Berührung kommen,
ihnen durch Naturgesetze erklärt worden sind oder nicht. Der
Aberglaube der Seefahrer ist bekannt und jede Literatur giebt uns
Belege von der Menge ihrer abergläubischen Vorstellungen und von
der Hartnäckigkeit, womit sie daran festhaltenß") Dies lässt sich
vollkommen aus dem Princip erklären, das ich aufgestellt. Die
von der Religion erheben werden, die langsam, aber sicher beiquns Boden gewinnt.
Kant, wahrscheinlich der tiefste Denker des 18. Jahrhunderts, sah deutlich, dass keine
Gründe aus der Aussenwelt genommen, das Dasein einer ersten Ursache beweisen
könnten. Unter andern Stellen siehe zwei besonders merkwürdige in der Kritik der
reinen Vernunjit, Kanfs Werke I1, 478, 481, über den physikotheologischen Beweis.
79) Dies wird sehr scharf ausgedrückt durch Lamennais: "Warum gravitiren die
Körper gegen einander? Weil Gott es gewollt hat, sagten die Alten. Weil die Körper
sich anziehen, sagt die Wissenschaft." Maury, Lägendes du moyßn age 33 ; Mackayfs
Rcligious development I, 5, 30, 31 und anderswo. Siehe auch eine parteiliche Dar-
stellung des Gegensatzes xin Oopleston, Inquiry into necessity und predestination; ein
geseheidtes aber übersehätztes Buch.
s") Ich bedauere sehr, dass ich hiervon keine Beweise in einer früheren Zeit
meiner Lectüre gesammelt habe. S0 kann ich jetzt über den Aberglauben der See-
fahrer nur anführen: Heberäs Journey througiz India I, 423; Richardsorfs Travcls in
tlze Salmra I, 11; Bnrckhardfs Trcwels in Ardbia II, 347; Dzwisf Chinese III, 16, 17;
Trewels of Ibn Baiuta in the 14. centwy 43; Journal of Asiut. soo. I, 9; Werks of
Sir Thomas Browne I, 130; Alisoniv Hist. of Europa IV, 566; Burnmf Travels into
Bokhara III, 53; Leiglz Hunfs Autobioyraplzy 1850, II, 255; Cwnberlandäe Memoirs
I, 422-15; Walslf Brazil 1, 96, 97; RichardsonC-z Arctic expcdilion I, 93; Hal-
vrqffs Memoirs I, 207, Ill, 197.