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Gechichte des Engl.
Geistes
Dies sind nur einige von den zahllosen Symptomen, die jeder
entdecken muss, der nicht durch die Vorurtheile einer unvollkomme-
nen Erziehung verblendet ist. Eine grosse Mehrheit der Geistlich-
keit einige aus Ehrgeiz, die meisten, sol1t' ich meinen, aus
Gewissenhaftigkeit bemühen sich, den Fortschritt jenes Skepti-
cismus, der jetzt von allen Seiten auf uns eindringt, zu hemmen")
Es ist Zeit, dass diese wohlmeinenden, jedoch im Irrthum be-
fangenen Männer die Täuschung einsehen, an der sie leiden. Was
sie so sehr beunruhigt, ist nur die Durchgangsstufe vom Aberglau-
ben zur Duldung. Die höhere Ordnung der Geister hat sie über-
schritten und nähert sich einer Form der Religion, welche wahr-
scheinlich die letzte des Menschengeschlechts ist. Aber die Masse
des Volks und selbst manche von den sogenannten Gebildeten
treten eben erst in jene frühere Epoche ein, wo der Skepticismus4")
dieses Feldes freimüthig zugiebt, in der Gelehrsamkeit hätte seine Partei nichts aus-
gerichtet, und geht sogar so weit, mit grosser Bitterkeit zu versichern: „Es ist eine
traurige Wahrheit, aber der hauptsächlichste, vielleicht der einzige Englische Schrift-
steller, dcr einen Anspruch darauf hat, für einen Kirehenhistoriker zu gelten, ist der
Ketzer Gibbon." Newman, On tlle development of Christian doctrin, S. 5.
3") Da einige Schriftsteller, mehr von ihren Wünschen als von ihrer Kenntniss
geleitet, dies abzuleugnen suchen, so mag es gut sein zu bemerken, dass die Zunahme
des Skepticismus seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch eine unendliche Masse
von Zeugnissen bewiesen wird, wie Jeder sehen wird, der folgende Gewährsmänner
vergleichen will: Wkatelgfs Danyers to Christian faith 87; Kagfs Social condttion of
the people II, 506; Tocquerille, De la dämocratie III, 72; J. H. Newman, On de-ve-
lopment 28, 29; F. TV. NewmanCv Natural ltistory qf tke soul 197; Parfs Werks
II, 5, III, 688, 689; Felkin, Moral statisttcs in Journal of statt. soc. I, 541; Watsorfs
Observ. am the lqfe of Wesley 155, 194; Matter, Hlst. du gnostiotsone II, 485; Ward,
Ideal of a Christian clmrch 266, 267, 404; TurnerCr Hist. of England II, 129, 142,
III, 509; Priestlegfs Menzoirs I, 127, 128, 446, II, 751; Cappfs Memairs 367;
Nickel! Bit. amc. of 18. cent. IV, 671, VIII, 473; Niclwlsf Illust. of lit. kist. V,
640; Oombds Notes on the Untted States II, 171, 172, 183.
40) Ein denkender Freund hat mir vorgestellt, dass es Leute giebt, die diesen
Ausdruck missverstehen werden, und dass andere, die ihn nicht missverstehen, ihn
absichtlich in ein falsches Licht stellen werden. So mag es gut sein, deutlich zu
sagen, was ich. unter Skepticismus verstehe. Ich meine damit nur Schwergläubigkeit,
und erhöhter Skepticismus ist nur erhöhte Einsicht in die Schwierigkeit, Behauptungen
zu beweisen; es ist mit andern Worten eine stärkere Anwendung und stärkere Ver-
breitung der Regeln des Denkens und der Gesetze des Beweisens. Dies Gefühl des
Zauderns und des verschobenen Urtheils ist in allen Gebieten des Denkens Illlßbänder-
lich eine Vorstufe zu allen intelleetuellen Revolutionen gewesen, die der menschliche
Geist durchlaufen hat, und ohne dasselbe könnte es keinen Fortschritt, keine Ver-
änderung, keine (Zivilisation geben. In der Naturbetrachtung ist es der Vorläufer der