Volltext: Geschichte der Civilisation in England (Bd. 1, Abth. 1)

16. bis zum 
J ahrh. 
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sie duldsam werden können, müssen erst die Unsicherheit ihrer 
eigenen Meinungen anerkennen, ehe sie vor den Meinungen ihrer 
Gegner Achtung zu fühlen im Stande sindßs) Es fehlt noch viel, 
dass dieser grosse Process schon überall vollendet sei; der Euro- 
päische Geist, kaum aus seiner alten Leichtgläubigkeit aufgetaucht 
und kaum von seinem allzugrossen Vertrauen auf seinen Glauben 
befreit, befindet sich noch in einem Mittelzustand, so zu sagen in 
einer Zeit der Probe. Wenn diese Stufe gänzlich überschritten 
sein wird, wenn wir gelernt haben werden, die Menschen bloss 
nach ihrem Charakter und ihren Thaten und nicht nach ihren 
theologischen Dogmen zu schätzen, dann werden wir unsere re- 
ligiösen Ansichten einzig nach jenem transcendentalen Processe 
bilden können, aus dem in jedem Zeitalter einige begabte Geister 
beglüekende Lichtblicke entnommen. Dass Alles jetzt nach dieser 
Richtung hindrängt, muss Jedem einleuchten, der den Fortschritt 
der modernen (Zivilisation studirt hat, In dem kurzen Zeitraum 
von drei Jahrhunderten ist der alte theologische Geist gezwungen 
worden, nicht nur seiner lange behaupteten Oberherrschaft zu ent- 
sagen, sondern auch jene festen Punkte aufzugeben, nach denen 
er sich Angesichts der fortschreitenden Wissenschaft vergebens 
zurückzuziehen suchte. Alle seine liebsten Ansprüche hat er einen 
nach dem andern fallen lassen müssenß") Und obgleich man in 
England für den Augenblick gewissen religiösen Streitigkeiten seine 
Aufmerksamkeit zugewendet hat, so zeigen doch die Verhältnisse, 
unter denen sie hervortreten, die Veränderung des Zeitgeistes. 
Streitigkeiten, welche vor 100 Jahren das ganze Reich in Flammen 
gesetzt haben würden, werden jetzt von der grossen Masse der 
35) In Whatclys Danyers to Christian faith 188-198 iindet sich eine sehr klare 
Darlegung der Gründe, llie jetzt allgemein angenommen sind gegen das Aufzwingen 
religiöser Meinungen, aber die stärksten unter ihnen beruhen gänzlich auf der Zweck- 
mässigkeit und darnach würden sie in der Zeit eines starken Glaubens gewiss ver- 
worfen worden sein. Einige und nur einige theologische Schwierigkeiten gegen die 
Toleranz finden sich in Ooleridge, Lit. remuins I, 312-315; und in einem andern 
Werk: The ß-iend I, 73 erwähnt er, was auch der Fall ist, "gerade jene Gleich- 
gültigkeit, welche uns die Toleranz zu einer so leichten Tugend macht." Siehe auch 
ArcIu-deacon Here's Gucsses at trutk, serie II, 278; und Nichols' Illustratiom of lit. 
bist. V, 817: "Ein Geist gegenseitiger Duldung und Nachsicht ist eingetreten (we- 
nigstens eine gute Folge religiöser Gleichgültigkeit)" 
36) Es wäre überflüssig eine allbekannte Thntsache mit Beweisen zu belegen; 
einige betreifende Bemerkungen in Capeigue (Bist. de la reforme I, 228, 229) werden 
den Leser jedoch intereasiren. 
Buckle, Geaeh. d. (Zivilisation 1. 20
	        
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