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des
Geschichte
Engl
Geistes
Ohillingworth, dessen Schriften die Boten des kommenden Sturms
waren, verschwindet die Autorität gänzlich und das ganze religiöse
Gebäude muss auf der Methode ruhen, mit welcher die Vernunft
des Menschen ohne alle Beihülfe die Bestimmungen des allmächtigen
Gottes auslegen wird.
Der ausserordentliche Erfolg dieses grossen Werkes von Ohilling-
worth muss jene Bewegung, von der es selbst ein Zeichen ist, be-
fördert habenß") Es bildete eine entschiedene Rechtfertigung für
Glaubensfreiheit") und folglich für den Bruch in der Englischen
Kirche, welchen die nämliche Generation noch erleben sollte. Sein
Grundprincip war von den einflussreichsten Schriftstellern des sieb-
zehnten Jahrhunderts angenommen worden, von Hales, Owen,
Taylor, Burnett, Tillotson, Locke und selbst von dem vorsichtigen,
rücksichtsvollen Temple; sie alle bestanden auf die Autorität des
eigenen Urtheils, die ein Tribunal bildete, von dem Niemand ap-
pelliren könne. Der Schluss, den man hieraus ziehen muss, scheint
auf der Hand zu liegenä") Wenn der letzte Prüfstein der Wahr-
heit das Urtheil des Einzelnen ist und wenn Niemand behaupten
kann, dass das Urtheil der Menschen, die sich oft widersprechen,
jemals unfehlbar sein könne, so folgt mit Nothwendigkeit, dass es
kein entscheidendes Kriterium religiöser Wahrheit giebt. Dies ist
ein trauriger und nach meiner festen Ueberzeugung unrichtiger
Schluss, aber jede Nation muss dazu kommen, ehe sie das grosse
Werk der Duldung ausführen kann, das selbst in unserm Vater-
lande und in unserer Zeit noch nicht vollkommen durchgedrungen
ist. Die Menschen müssen nothwcndig erst zweifeln lernen, ehe
32) Des Maizeaux (Lzfe qf Ohilllingwortlt 220, 221) sagt: "Sein Buch wurde mit
allgemeinem Beifall aufgenommen, und was vielleicht nie einer andern Streitschrift
von dem Umfange begegnet ist, in weniger als 5 Monaten wurden 2 Ausgaben davon
veröffentlicht. Der schnelle Verkauf eines Buchs, und besonders einer Streitschrift in
Folio, ist ein hinlänglicher Beweis dafür, dass der Verfasser den Geschmack seiner
Zeit getroffen." Siehe auch Biographie Britmznica, edit. Kippis III, 511, 512.
33) Oder wie Oalamy vorsichtig sagt: „_Chillingwortli's Buch schien mir einen
grossen Schritt zur Rechtfertigung einer gemässigten Kircheneinheit zu machen." 0a-
lamgfs Lzfe 1, 234. Vergl. Palmen 0M Ute clmreh I, 267, 268; und was wahrschein-
lich eine Anspielung auf Chillingworth ist, Doddridgeis Uarrespond. und Diary II, S1,
Siehe auch Robbe's Ansicht in Aubrgfs Letters mul lives II, 288, 629.
34) Eine kurze, aber gelehrte Uebersicht über die Erscheinung des Englischen
Geistes von dieser Zeit an ündet sich in Släudlin, Geschichte der theologisßleen Wissen-
scltajteva II, 95 pp.