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der
Hülfsquellen bei
Geschichtsforschung.
diese Weise die Lehre von der höchsten Stellung (Supremacy) des
Selbstbewusstseins, worauf die Vertheidiger des freien Willens ihre
ganze Theorie gründen müssen. Und wirklich die Ungewissheit
über das Bestehen des Selbstbewusstseins als eines unabhängigen
Vermögens und der Widerspruch gegen seine eignen Aeusserungen,
wenn es als solches besteht, sind zwei von den mancherlei Grün-
den, die mich längst überzeugt haben, dass sich die Metaphysik
durch die gewöhnliche Methode, wie sie den individuellen Geist
beobachtet, niemals zu einer Wissenschaft erheben wird; dass viel-
mehr das Studium derselben mit Ertblg nur fbrtgeführt werden
kann durch die Anwendung historisch entdeckter und abgeleiteter
Gesetze, die also durch eine Prüfung des ganzen Gebiets jener
umfassenden Erscheinungen, welche der lange Verlauf der Geschichte
der Menschheit unsern Blicken darbietet, entwickelt werden müssen.
Glücklicher Weise braucht jedoch, wer an die Möglichkeit einer
Wissenschaft der Geschichte glaubt, weder die Ansicht von der
Vorherbestimmung, noch die von der Willensfreiheit zu theilen; 4
und alle Zugeständnisse, die ich hier von ihm erwarte, sind: dass,
wenn wir eine Handlung ibllbringen, dies aus einem Beweggrunde
oder aus Beweggründen geschieht; dass diese wieder die Folgen
aus etwas Vorhergegangenem sind; und dass wir folglich, wenn
wir mit Allem, was vorhergegangen und mit allen Gesetzen, nach
denen es erfolgt, bekannt waren, mit unfehlbarer Gewissheit alle
unmittelbaren Ergebnisse davon vorhersagen könnten. Wenn ich
mich nicht sehr irre, muss jeder, dessen Geist nicht durch irgend
ein System eingenommen ist, und der sich sein Urtheil nach der
wirklichen Sachlage") bildet, dieser Ansicht beipiiiehten. Wenn
46) Wenn unter Willensfreiheit verstanden wird, dass dem Geiste ein Anstoss zur
Bethätigung seiner selbst innewohnt und dass dieser sich von allen Beweggründen un-
abhängig äussert. Wenn irgend jemand sagt, dass wir dies Vermögen, ohne Beweg-
gründe zu handeln, haben, aber in der wirklichen Ausübung des Vermögens immer
wissentlich oder unwissentlich von Beweggründen geleitet werden, so spricht er
eine unfruchtbare Behauptung aus, die meinen Ansichten nicht im Wege steht, die
wahr oder falsch sein mag, die aber ganz gewiss bisher noch niemand hat beweisen
können.
n) D. h. nach dem Ausweis der Erscheinungen, die sich dem Verstßlldß dargebo-
ten und die nach der gewöhnlichen Logik, womit der Verstand vertraut ist, beurtheilt
werden. Aber Kant hat einen merkwürdigen Versuch gemacht, die prßktisßhen Folgen
hiervon zu umgehen, indem er behauptet, Freiheit als eine Idee, die ein Vernunft-
product sei, müsse auf die trunscendentalen Gesetze der Vernunft bezogen werden,
d. h. auf Gesetze, welche dem Gebiete der Erfahrung entrückt sind und durch Be-