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des
Geschichte
Engl.
Geistes
Bei der Erörterung der Streitpunkte zwischen Katholiken imd Pro-
testanten fragte er nicht, 0b solche Lehren den Beifall der früheren
Kirche gehabt, sondern 0b sie mit der menschlichen Vernunft
stimmten; und er spricht es ohne Anstand aus, kein Mensch sei
verbunden, sie zu glauben, möchten sie auch noch so wahr sein,
wenn er fände, dass sie den Aussprüchen seiner Vernunft wider-
stritten. Auch will er nicht zugeben, der Glaube habe die fehlende
Autorität zu ersetzen. Selbst dieses Lieblingsprincip der Theologen
muss bei Chillingworth der Herrschaft der menschlichen Vernunft
weichen") Vernunft, sagt er, gicbt uns Wissenschaft, Glaube
nur ein Fürwahrhalten, und dies ist nur ein Theil des Wissens,
daher niedriger als dasselbe. Durch Vernunft und nicht durch
Glauben müssen wir uns in religiösen Dingen bestimmen und nur
durch Vernunft können wir Wahrheit von Unwahrheit unterscheiden.
Endlich erinnert er seine Leser feierlich, dass in religiösen Dingen
Niemand aus unvollkommenen Voraussetzungen sichere Schlüsse
ziehen oder unwahrscheinliche Nachrichten auf schwaches Zeugniss
glauben möge; noch weniger, sagt er, war es je die Absicht, dass
Menschen ihre Vernunft so sehr missbrauchen sollten, um mit un-
fehlbarem Glauben für wahr zu halten, was sie nicht mit unfehl-
baren Gründen zu beweisen im Stande sindfw)
[n keinem andern Zweige des Wissens finden wir diese hartnäckige Entschlossenheit,
Theorien festzuhalten, welche alle denkenden Menschen in den letzten 200 Jahren ver-
worfen haben.
93) Ja, er versucht den Katholiken die nämliche Lehre aufzuheften, was freilich,
wenn es ihm gelungen wäre, den ganzen Streit beendigt haben würde. Er sagt in
der That "nicht ganz richtig: „Ihr nehmt die Lehren Eurer Kirche an, weil lhr glaubt,
lhr habt vernünftige Gründe, es zu thun, so dass sich bei Euch sowohl, als bei den
Protestanten, Alles zuletzt in Eure eigene Vernunft auflöst." Relig. of Protestants 134.
39) "Gott will nur, dass wir den Schluss glauben, so weit es die Voraussetzungen
verdienen, dass die Stärke unsers Glaubens gleich oder im Verhiiltniss zu der Glaub-
würdigkeit seiner Motiven sei." Relig. of Protest. 66. „1ch für mein Theil bin ge-
wiss, Gott hat uns unsere Vernunft gegeben, um Wahrheit von Unwahrheit zu unter-
scheiden, und wer nicht diesen Gebrauch von ihr macht, sondern Dinge glaubt und
wciss nicht warum, der glaubt nur zufällig etwa die Wahrheit und nicht mit Aus-
wahl, sage ich, und ich fürchte, Gott wird dieses Narrenopfer nicht annehmen."
S. 133. „Gottes Geist mag mehr wirken, wenn es ihm gefällt eine Gewissheit
der Annahme über die Gewissheit des Beweises hinaus, aber weder verlangt Gott,
noch kann ein Mensch von uns als unsere Piiicht verlangen, dem Schlusse mit mehr
Gewissheit beizustimmen, als die Prämissen verdienen; einen nnfchlbaren Glauben auf
Voraussetzungen zu bauen, die nur höchst glaubwürdig und nicht unfehlbar sind,
gleichsam ein grosses gewichtiges Gebäude auf einem Grunde zu errichten, der keine