der
histor.
Literatur im Mittelalter.
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Charakter jenes Erzapostaten bildete. Seine Untersuchungen scheinen
sehr umfassend gewesen zu sein, aber ihr Hauptergebn-iss war folgen-
des. Als Judas noch ein Kind war, verliessen ihn seine Aeltern
und setzten ihn auf einer Insel aus, die Scarioth hiess, daher er-
hielt er den Namen Judas Ischarioth. Und, fügt er hinzu, als Judas
heranwuehs, erschlug er unter andern seinen Vater und heirathete
seine Muttern") In einem andern Theil seiner Geschichte erwähnt
er einen Vorfall, der die interessiren wird, welche die Alterthümer
des heiligen Stuhles studiren. Es war Zweifel erhoben worden,
0b es angemessen sei, dem Papst die Füsse zu küssen, und selbst
Theologen Waren mit einer so sonderbarenCeremonie nicht einver-
standen. Aber Mathew von Westminster machte dieser Schwierig-
keit ein Ende durch die Nachricht über den wahren Ursprung dieser
Sitte. Früher, sagt er, War es Sitte, Seiner Heiligkeit die Hand
zu küssen, aber gegen das Ende des 8. Jahrhundertsmachte eine
lose Dirne dem Papst eine Liebeserklärung und küsste ihm nicht
nur, sondern drückte ihm auch die Hand. Der Papst er hiess
Leo sah die Gefahr, schnitt sich die Hand ab und entging so
der Bedeckung, der er ausgesetzt gewesen. Seitdem hat man die
Vorsiehtsmaassregel getroffen, dass dem Papst der Fuss statt der
Hand geküsst wird; und damit Keiner die Wahrheit dieser Nach-
richt bezweifle, versichert uns der Gesc-hichtsehreiber, die Hand,
welche vor 5 bis 600 Jahren abgeschnitten worden, sei noch in
Rom und ein immerwährendes Wunder, denn sie sei im Lateran
in ihrem ursprünglichen Zustande und ganz unverfault zu sehenf")
Und da manche Leser vielleicht etwas zu wissen wünschen über
den Lateran, wo die Hand verwahrt wurde, so hat der Historiker
auch hierauf Rücksicht genommen und in einem andern Theil seines
grossen Werkes das Gebäude bis zum Kaiser Nero zurück verfolgt.
Denn dieser schnöde Verfolger des Glaubens soll einmal einen mit
Blut bedeckten Frosch ausgebrochen haben; den hielt er nun für
seinen eigenen Sohn und liess ihn daher in einem Gewölbe ver-
schliessen, wo er eine Zeit lang verborgen blieb. Nun heisst im
Lateinischen latere verborgen sein und rana der Frosch; wenn wir
33) Matth. Wesim., Flores histor. I, 86, 87, 88.
34) Der Vorfall war 798. Mathew I, 293 seiner Flores hist. schliesst seinen Be-
richt damit: „Et statutuvzz cst nzmc quod numquam extunc manus papae ab oferentibus
deoscularetur, sedpes. Cum antc fuerat consuetzodo, quod mamßs, mm pes, deoscularetur.
In lwjus miraculz" onwnoriam resermtzer adlmc anamus ubscissa in thesauro Lateranensi,
quam dominus czastodrft incorruptaon ad laudem matris suae."
Buckle, Gesch. d. Civilisation- I- 18