der histor.
Mittelalter.
Literatur im
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teten und in Wahrheit nur ein Theil jener grossen Bewegung sind,
wodurch der menschliche Geist mit unendlicher Schwierigkeit sich
seine eigenen Rechte gesichert und langsam von den eingewurzelten
Vorurtheilen befreit hat, die seiner Thätigkeit so lange im Wege
standen.
Darum scheint es räthlich, bei der Untersuchung der verschie-
denen Culturzustände, worin sich die grossen Europäischen Völker
getheilt, auch einen Bericht darüber zu geben, wie die Geschichte
in jedem dieser Länder geschrieben wurde. Ich werde mich dabei
vornehmlich durch den Wunsch leiten lassen, die innige Verbindung
des gegenwärtigen Zustandes eines Volkes mit seinen Meinungen
über die Vergangenheit zu beleuchten. Und um diese Verbindung
im Auge zu behalten, werde ich den Zustand der historischen Literatur
nicht als einen besonderen Gegenstand, sondern als einen Theil der
Geschichte des Geistes einer jeden Nation behandeln. Der vorlie-
gende Band wird eine Uebersicht über die Haupt-Charakterzüge der
Französischen Oivilisation bis zur grossen Revolution enthalten; und
damit werde ich eine Erörterung der Französischen Historiker und
der merkwürdigen Verbesserungen, die sie in ihre Wissenschaft
einfiihrten, verflechten. Das Verhältniss, in dem diese Verbesse-
rungen zu dem Zustande der Gesellschaft stehen, aus dem sie ent-
sprangen, ist sehr augenfallig und wird einer längeren Prüfung
unterworfen werden, während im nächsten Bande die Civilisation
und die historische Literatur der andern Haupt-Völker auf dieselbe
Weise behandelt werden wird. Ehe ich jedoch in diese Gegenstände
einging, schien es mir, dass eine vorgängige Untersuchung des Ur-
sprungs der Europäischen Geschichte von Interesse sein würde, da.
sie über Dinge, die wenig bekannt sind, Aufschluss giebt und zu-
gleich den Leser in den Stand setzt, sich eine Ansicht über die
grosse Schwierigkeit zu bilden, womit die Geschichte ihre gegen-
wärtige fortgeschrittene, aber immer noch sehr unvollkommene Ge-
stalt erreicht hat. Die Materialien zu einem Studium des frühesten
Zustandes von Europa sind lange zu Grunde gegangen, aber die
ausgedehnte Kenntniss, die wir jetzt von barbarischen Völkern be-
sitzen, wird uns mit einem schätzbaren Hülfsmittel versehen, da
sie alle sehr viel mit einander gemein haben. Die Meinungen aus-
serst unwissender Menschen sind in der That überall die nämlichen
und werden in den verschiedenen Ländern nur durch die Unter-
schiede der Natur modiiiciit. Ich nehme daher keinen Anstand, die
Zeugnisse zu benutzen, welche urtheilsfähige Reisende gesammelt,