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Ursprung
der
Geschichte
und Zustand
dere Verfahrungsart geprüft werden könnten, die ich noch nicht er-
wähnt habe, die aber mit unserem Gegenstände aufs Innigste
zusammenhängt: wenn wir nämlich mit der Untersuchung des Fort-
schritts der Menschheit eine Untersuchung über den Fortschritt der
Geschichte selbst verbinden. Dadurch wird viel Licht auf die Be-
wegung der Gesellschaft geworfen, weil immer eine Verbindung der
Art und Weise, wie die Menschen das Vergangene betrachten, mit
der Art und Weise bestehen wird, wie sie das Gegenwärtige be-
trachten; denn beide Betrachtungen sind in der That nur verschie-
dene Formen derselben Gewohnheit zu denken und stellen daher
in jedem Zeitalter eine gewisse Sympathie und Uebereinstimmung
mit einander dar. Dabei wird sich Ünden, dass solch eine Unter-
suchung der Geschichte der Geschicke, wie ich sagen könnte, zwei
Hauptthatsachen von grosserBedeutung feststellen wird. Die erste ist,
dass während der letzten drei Jahrhunderte die Historiker als eine
Klasse eine immer wachsende Achtung gegen den menschlichen Ver-
stand und einen Widerwillen gegen die unzähligen Veranstaltungen,
wodurch er früher gefesselt wurde, gezeigt haben. Die zweite That-
sache ist, dass sie während derselben Periode sich immer mehr in
der Neigung bestärkt haben, Gegenstände zu vernachlässigen, die
vormals für höchst wichtig galten und sich lieber mit Gegenständen
beschäftigt haben, welche den Zustand des Volks und die Ausbrei-
tung von Kenntnissen betrafen. Diese beiden Thatsachen werden
in dieser Einleitung aufs Entschiedenste bewiesen werden, und man
muss zugeben, dass ihr Vorhandensein die Principien bestätigt, die
ich dargelegt habe. Wenn es ausgemacht werden kann, dass mit
der Verbesserung der Gesellschaft die historische Literatur sich be-
ständig nach einer bestimmten Richtung geneigt hat, so scheint die
Wahrheit der Ansichten, denen sie sich offenbar nähert, viel für
sich zu haben. In der That macht eine Wahrscheinlichkeit dieser
Art Jedem, der eine besondere Wissenschaft studirt, die Bekannt-
schaft mit ihrer Geschichte äusserst wichtig, denn man kann alle-
mal sehr gut annehmen, wenn die Wissenschaft im Allgemeinen
fortsehreitet, dass dann auch jeder einzelne Zweig derselben, falls
fähige Männer sich ihm widmen, ebenfalls fortschreiten werde,
selbst wenn die Resultate so gering gewesen sein sollten, dass sie
keiner Beachtung weith geschienen. Daher wird es höchst wichtig
zu beobachten, wie in der Folge der Zeit die Historiker ihren Stand-
punkt verändert haben; denn wir werden finden, dass solche Ver-
änderungen auf die Länge immer nach derselben Richtungl hindeu-