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luellen bei
Hülfs:
der Geschichtsforschung.
der neuer Philosophieen und neuer Religionen, die oft einen mäch-
tigen Einfluss auf die Völker, bei denen sie Eingang finden, aus-
üben. Aber die Urheber dieser Systeme sind selbst dem Einfluss
ihres Zeitalters unterworfen. Niemand vermag sich dem Eindruck
der Anschauungen, die ihn umgeben, zu entziehn; und was man
eine neue Philosophie oder eine neue Religion nennt, ist gemeinig-
lieh nicht sowohl eine Schöpfung neuer Ideen, als vielmehr eine
neue Richtung, die man Ideen giebt, welche unter den Denkern
der Gegenwart in Umlauf sind?)
In unserm Falle entspricht die Lehre vom Zufall in der Aus-
senwelt der vom freien Willen in uns, während die Lehre von
der nothwendigen Verkettung eben so der von der Vor-
herbestimmung entspricht; der einzige Unterschied ist, dass die
erstere einer Entwicklung des Metaphysikers, die zweite einer des
Theologen angehört. Im ersten Falle nimmt der llrletaphysiker sei-
nen Ausgang von der Lehre des Zufalls, überträgt dies Princip
der Willkür und Unverantwortlichkeit auf das Studium des mensch-
lichen Geistes, und auf diesem neuen Felde wird es der freie
Wille; ein Ausdruck, wodurch alle Schwierigkeiten beseitigt zu
sein scheinen, da vollkommene Freiheit, selbst die Ursache aller
Handlungen, von keiner bewirkt wird, sondern wie der Zufall ein
ursprüngliches Factum ist, das keine weitere Erklärung zulässt. ü)
Im zweiten Falle nimmt der Theologe die Lehre von der noth-
wendigen Verkettung auf und giesst sie in eine theologische
Form um; da sein Geist schon voll von den Vorstellungen der
Ordnung und Gleichmässigkeit ist, so schreibt er natürlich eine
solche unwandelbare Regelmäsigkeit der Vorsehung des Allmäch-
tigen zu; und so wird zu der grossen Anschauung des Einen Got-
5) Beausobre, Histoire critigue de Maniehee vol. I. p. 179, macht hierüber einige
gute Bemerkungen. Die grosse religiöse Ketzerei, sagt er, gründe sich auf frühere
Philosophieen. Kein Mensch, der mit der Entwicklung des Glaubens der Menschen
bekannt ist, wird der StahPschen kategorischen Versicherung beistimmen, "dass die
Philosophie eines Volks in seiner Theologie wurzle." Klivnrath, Traraux lI. p. 454,
Paris, 1843.
6) "Also ist ein Wille, dem die blosse gesetzgebende Form der Maxime allein zum
Gesetze dienen kann, ein freier Wille", Kritik der praktiselzen Vernunft, Kaufs
Werke, B. IV. S. 128. "Hat selber fir sich eigentlich keinen Bestimmungsgruud",
Metaphysik der Sitten B, V_ S. 12. „Die unbedingte Cßusalität der Ursache", Kritik
der reinen Vemunft, Kaufs Werke B. II, S. 339. Siehe auch Prolegomena zu jeder
künftigen Metaphysik im B. III, 268.