Literatur und Staatsregierung.
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hat, so ist die Folge gewesen, dass jede Regierung ihren Unter-
thanen grossen Schaden zugefügt hat, und zwar fast immer in der
besten Absicht. Die Folgen ihrer Schutzpolitik zum Schaden des
Handels und,was noch schlimmer ist, zur Vermehrung der Verbrechen,
haben wir eben nachgewiesen und könnten zu jenen Beispielen un-
zählige andere hinzufügen. So hielt es viele Jahrhunderte hindurch
jede Regierung für ihre ernste Pflicht, religiöse Wahrheit zu beför-
dern und religiösen Irrthum zu entmuthigen. Das Unheil, das da-
durch angerichtet wurde, ist unberechenbar. Lassen wir alle andern
Betrachtungen bei Seite und erwähnen wir nur die zwei Haupt-
folgen, die Vermehrung der Heuchelei und des Meineids. Die Ver-
mehrung der Heuchelei ist die unvermeidliche Folge, wenn man
eine Strafe auf das Bekenntniss eines gewissen Glaubens setzt.
Wie es auch mit dem Einzelnen sein mag, es ist gewiss, dass die
Mehrheit der Menschen es sehr schwer findet, einer beständigen
Versuchung sehr lange zu widerstehn; und wenn die Versuchung
in der Form von Ehre und Gehalt an sie herantritt, so sind sie nur
zu oft bereit, sich zu dem herrschenden Glauben zu bekennen, und
zwar nicht ihren eignen Glauben, aber doch die äussern Zeichen,
wodurch er zum öffentlichen Gegenstande gemacht wird, aufzugeben.
Jeder, der dies thut, ist ein Heuchler, und jede Regierung, die
einen solchen Schritt begünstigt, begünstigt Heuchelei und erzeugt
Heuchler. So können wir also sagen, wenn eine Regierung eine
Lockspeise daraus macht, dass die Bekenner eines gewissen Glau-
bens gewisse Vorzüge geniessen sollen, so spielt sie die Rolle des
alten Versuchers und bietet wie der böse Geist niedriger Weise das
Gute dieser Welt Jedem, der seinen Glauben ändern und seine
Ueberzeugung verleugnen will. Zu gleicher Zeit gehört es zu diesem
System, dass mit dem Zunehmen der Heuchelei auch der Meineid
sich vervielfältigt. Denn die Gesetzgeber, die wohl sahen, dass
man sich auf solche Bekehrte nicht verlassen könne, haben der
Gefahr durch die sonderbarsten Vorsichtsmaassregeln zu begegnen
gesucht. Sie zwangen die Menschen, ihren Glauben wiederholt durch
Eide zu bekräftigen und suchten so den alten Glauben gegen die
Neubekehrten zu beschützen. Dieser Argwohn gegen die Beweg-
gründe Anderer hatßVeranlassung zu Eiden aller Art und in jeder
Richtung gegeben. In England muss sogar der Knabe, der in die
höhere Schule kommt, Dinge beschwören, die er nicht verstehen
kann und die selbst viel reifere Geister nicht die Fähigkeit haben
zu überwältigen. Wenn er nachher ins Parlament kommt, muss er
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