Literatur
Staatsregierung.
und
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wegen ihres Aberglaubens ein System entstellten, welches sie in
seiner ursprünglichen Reinheit aufzunehmen nicht fähig waren")
Auf jeder Seite der Geschichte treffen wir in der That neue
Beweise dafür an, wie wenig Wirkung religiöse Dogmen auf ein
Volk hervorbringen, wenn ihnen keine intellectuelle Cultur vorher-
geht. Der Einfluss des Protestantismus im Vergleich mit dem des
Katholicismus giebt ein interessantes Beispiel davon. Die katho-
lische Religion hat zu der protestantischen gerade dasselbe Ver-
hältniss, wie die iinstern Zeitalter zu dem 16. Jahrhundert. In
diesen finstern Zeiten des Mittelalters waren die Menschen leicht-
gläubig und unwissend, sie brachten daher eine Religion hervor,
welche viel Glauben und wenig Kenntnisse erforderte. Im sech-
zehnten Jahrhundert war die Leichtgläubigkeit und Unwissenheit
zwar noch gross genug, aber verminderte sich reissend und es
wurde nothwendig, eine Religion einzurichten, die sich für diese
veränderten Umstände passte, eine Religion, welche der freien For-
schung günstiger war, weniger Wunder, heilige Legenden und
Götzenbilder hatte, eine Religion, in der die Ceremonien nicht so
häufig und nicht so lästig waren; eine Religion, welche die Busse,
das Fasten, die Beichte, das Cölibat und all die anderen Oasteiungen,
die so lange allgemein gewesen waren, abschaffte. Alles dies wurde
bei der Einsetzung des Protestantismus gethan, und eine Gottes-
verehrung, die auf diese Weise dem Geist der Zeit entsprach, machte
bekanntlich raschen Fortschritt. Hätte diese grosse Bewegung einen
ununterbrochenen Fortgang gehabt, so würde sie in wenig Genera-
tionen den alten Aberglauben über den Haufen geworfen und einen
einfachen, weniger lästigen Glauben an die Stelle gesetzt haben.
Natürlich würde die Schnelligkeit dieses Verlaufs im Verhältniss
zur intellectuellen Thätigkeit der verschiedenen Völker gestanden
haben. Aber unglücklicher Weise hielten die Europäischen Regie-
rungen, die sich immer in Dinge mischen, die sie nichts angehen,
es für ihre Pflicht, die religiösen Interessen des Volks unter ihren
'33) Es war nöthig, sagt Maury: "dass die Kirche sich dem groben, ungebildeten
und unwissenden Geniüthe des Barbaren mehr annäherte." Maury, Lzfgendes pieuses du
moyen ayc 101. Ganz der nämliche Gang der Dinge in Indien, wo die Puranas sich
zu den Vedas verhalten Wiß die Werke der Kirehenväter zum neuen Testament. Eäphin-
atme, Ilist. of Indira ST, S8, 98; Wilson, Preface ta the Vislmu Purana p. VII;
Transaßf. of Bombay sov. I, 205. S0 dass, wie Max Müller es gut ausdrückt, die
Puranas "eine secundäre Bildung Indischer Mythologie" sind. M. Müller, On {Im
lemguayes of Inolia, in Reports of Brit. assoo. for 1847, p. 334.
Buckle, Geseh. d. (Zivilisation. I. 15